Missbrauch des Patentsystems durch Pharmaunternehmen stoppen: Organisationen gehen gegen EPA-Entscheidung in Berufung

Ärzte der Welt und fünf weitere
Organisationen haben Berufung gegen die Entscheidung des Europäischen
Patentamts (EPA) eingelegt, ein Patent des Pharmariesens Gilead
Science auf ein wichtiges Medikament zur Behandlung von Hepatitis C
aufrechtzuerhalten. Ärzte der Welt, Ärzte ohne Grenzen, AIDES
(Frankreich), Access to Medicines Ireland, Praksis (Griechenland) und
Salud por Derecho (Spanien) sind weiterhin davon überzeugt, dass das
Patent auf den Wirkstoff Sofosbuvir nicht die notwendigen
juristischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen erfüllt.

Die Berufung zielt darauf ab, den Missbrauch des Patentsystems
durch Pharmaunternehmen zum Zweck der eigenen Profitmaximierung zu
stoppen. Ein Erfolg würde sich auch außerhalb Europas auswirken, wo
sich die Patentämter oft an den Entscheidungen des EPAs orientieren.

Gileads Monopol auf Sofosbuvir in Europa hat dem Unternehmen
ermöglicht, stark überhöhte Preise für das Medikament zu verlangen.
In einigen europäischen Ländern schlägt die zwölfwöchige Behandlung
mit bis zu 43.000 Euro zu Buche, während derselbe Behandlungszyklus
mit Generika außerhalb Europas nur 75 Euro kostet. Diese exorbitanten
Preise haben zum Teil dazu geführt, dass Gesundheitssysteme gezwungen
waren, das Medikament zu rationieren. Tausende an Hepatitis C
Erkrankte in Europa hatten so keinen Zugang zu einer optimalen
Behandlung.

Im März 2017 hatten daher 33 zivilgesellschaftliche Organisationen
aus 17 europäischen Ländern eine Anfechtung gegen einen
Basisbestandteil von Sofosbuvir eingereicht. Ihr Hauptargument: Die
für ein Patent maßgebliche Bedingung eines erfinderischen Schrittes
habe Gilead nicht erfüllt. Trotz der stichhaltigen Argumentation
entschied das EPA, das Patent aufrecht zu erhalten. Dadurch ist es
unmöglich, erschwingliche generische Versionen des Arzneimittels in
Europa herzustellen oder zu verkaufen.

Da aktuell einige neue patentierte Medikamente, zum Beispiel zur
Behandlung von Krebs, mit Preisen um 400.000 Euro pro Person auf den
Markt kommen, ist es dringend notwendig, die Patentsysteme zu
reformieren. Patient(inn)en müssen Zugang zu den Medikamenten haben,
die sie am Leben halten und gesund machen.

„Das EPA ist zu nachsichtig mit Pharmaunternehmen und gibt ihnen
einen Freifahrtschein“, sagt Olivier Maguet, Leiter der Ärzte der
Welt-Arzneimittelkampagne. „Es muss in Europa eine viel größere
Kontrolle darüber geben, ob Pharmaunternehmen Patente verdienen oder
nicht, sonst werden ungerechtfertigte Monopole weiterhin zu außer
Kontrolle geratenen Medikamentenpreisen führen.“

„Ungerechtfertigte Patente in Europa geben Pharmakonzernen die
Monopolstellung, die es ihnen erlaubt, exorbitante Preise für viele
lebensrettende Medikamente zu verlangen“, sagt Gaëlle Krikorian von
der Ärzte ohne Grenzen-Medikamentenkampagne. „Aufgrund der überhöhten
Preise, die Gilead für Sofosbuvir fordert, haben Millionen Menschen
mit Hepatitis C in Europa und der ganzen Welt keinen Zugang zu diesem
neuartigen Medikament. Was nützt medizinische Innovation, wenn sich
Menschen und Gesundheitssysteme die daraus resultierenden Produkte
nicht leisten können?“

Vor genau fünf Jahren wurde Sofosbuvir zum ersten Mal in den USA
zugelassen. Dort brachte es Gilead für 1.000 US-Dollar pro Pille oder
84.000 US-Dollar für einen zwölfwöchigen Behandlungszyklus auf den
Markt. Das Unternehmen hat seitdem mehr als 58 Milliarden Dollar mit
dem Verkauf des Medikaments und seinen Kombinationen verdient.

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Stephanie Kirchner
Referentin Öffentlichkeitsarbeit
Ärzte der Welt e.V.
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