Mindener Tageblatt: Kommentar zum Sorgerechts-Urteil des BVerfGer /Überfällige Entscheidung

Von Henning Wandel

Sind unverheiratete Väter Drückeberger, die sich mit einer
monatlichen Überweisung aus der Verantwortung stehlen und denen man
ein Kind nicht anvertrauen darf? Bisher schienen Gesetzgeber und
Gerichte in Deutschland durchaus diese Meinung zu vertreten. Doch
damit ist nun Schluss. Die Entscheidung war längst überfällig. Auch
Väter, die nicht mit Mutter und Kind zusammenleben – aus welchen
Gründen auch immer – , haben grundsätzlich das Recht, sich um ihr
Kind zu kümmern. Und das umfasst nun einmal mehr, als die
Unterhaltszahlung oder den Zoo-Besuch am Wochenende. So richtig der
Spruch aus Karlsruhe war: Es ist eine Schande, dass es erst einer
juristischen Ohrfeige des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte bedurfte, damit ledige Väter zu ihrem Recht kommen.
Zahlen ja, Mitreden nein – dieser Grundsatz gehörte längst in die
Mottenkiste. Moderne Väter wollen mitreden. Der Zuspruch zu den
Vätermonaten ist dafür durchaus ein Beleg. Mittlerweile nimmt jeder
fünfte Vater eine berufliche Auszeit für sein Kind. Vor drei Jahren
waren es nur halb so viele. Die Entscheidung über ein geteiltes
Sorgerecht darf daher nicht allein bei der Mutter liegen – das hätte
schon lange jedem klar sein müssen. Allzu schnell lässt sich das
Vetorecht als Machtinstrument missbrauchen. Das sahen offenbar auch
die Karlsruher Richter so: Mütter hätten in nicht unbeträchtlicher
Zahl allein deshalb die gemeinsame Sorge verweigert, „weil sie ihr
angestammtes Sorgerecht nicht mit dem Vater des Kindes teilen
wollten“. Jetzt dürfen die Väter mitreden, wenn es um das Leben und
die Zukunft ihrer Kinder geht – notfalls auch gegen den Willen der
Mutter. Wie das in der Praxis aussieht, muss sich zeigen. Es bleibt
zu hoffen, dass Väter und Mütter das gemeinsame Recht zur Sorge auch
als Verpflichtung begreifen.

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