Eben noch preiswertes Urlaubsparadies, plötzlich
ein blutiges Drama aus Umsturz, Chaos und Gewalt. Die aus
europäischer Sicht wie aus heiterem Himmel über das scheinbar so
stabile Tunesien hereingebrochene Revolution verstört nicht nur
Tausende Touristen. Bei den europäischen Nachbarn ist man von der
eigenen Vorahnungslosigkeit mindestens so überrascht wie von der
unerwarteten Vehemenz des Ausbruchs, die den offenkundig morschen und
korrupten Machtapparat der alten Elite so mir nichts dir nichts
hinwegfegen konnte. Genau das dürfte erst recht den arabischen und
nordafrikanischen Nachbarn Tunesiens noch sehr viel mehr zu denken
geben. Dass das Sonnenscheinland hinter seiner Urlaubs-Fassade ein
knallhartes Unterdrückerregime verbarg, wurde in Europa, wo man das
durchaus hätte wahrnehmen können, gern geflissentlich übersehen.
Immerhin stand der machthabende Ex-Geheimdienstler auf der
„richtigen“ Seite, hielt die Islamisten im Zaun und sorgte für Ruhe.
Da mochte man es mit dem Einfordern der Menschenrechte natürlich
nicht ganz so genau nehmen, zumal sich Tunesien im Gefüge der
arabischen und afrikanischen Autokratien geradezu einen westlich
liberalen Anstrich zu geben versuchte. Tünche, gewiss, aber gern ließ
man sich damit blenden. Nun ist das auf Gewalt und Korruption
aufgebaute Kartenhaus der Machthaber-Clique zusammengebrochen.
Niemand weiß, was aus dem daraus resultierenden Chaos an für die
Zukunft tragfähigen Strukturen entstehen könnte, zumal echte
Oppositionelle entweder im Gefängnis saßen oder im Exil lebten. Erst
recht weiß niemand, welche Strahlkraft die Bilder vom sich
erfolgreich empörenden Volk in der näheren und weiteren Nachbarschaft
entwickeln werden, wo die politische Macht durchweg auf nicht weniger
illegitimen Säulen ruht. Sollten sie sich als ebenso tönern erweisen,
könnte die vergangenen Tage der Anfang von noch weit folgenschwereren
Ereignissen gewesen sein als jetzt in Tunesien.
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Mindener Tageblatt
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