Im Informationskosmos Internet fällt es
Jugendlichen nicht immer leicht, das Angebot an politischen
Informationen richtig einordnen zu können. Wie sie sich ihre Meinung
bilden und welche Rolle #Politainment und mediale Inszenierung dabei
spielen, war gestern das Thema der gut besuchten 4. Fachtagung
Nutzerkompetenz in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien
(BLM).
Wie stark sich die politische Meinungsbildung von Jugendlichen
geändert hat, zeigte zum Auftakt der Filmtrailer mit einer Umfrage im
Münchner Asamgymnasium: erst googeln, dann auf Newsseiten im Internet
gehen, Informationen über Freunde oder in sozialen Netzwerken
beziehen, über das Handy lesen und in YouTube stöbern, aber auch die
Quellen genau prüfen. Ein Mediennutzungsverhalten, das
BLM-Geschäftsführer Martin Gebrande im Grußwort mit Zahlen aus der
MedienGewichtungsStudie belegte. 43 Prozent der 14- bis 29-Jährigen
nutzen demnach Google als relevantes Informationsmedium, gefolgt von
Facebook und YouTube. Keine Frage, so Gebrande, die „Macht der
vernetzten Vielen“ in den sozialen Netzwerken gewinne zunehmend an
Einfluss auf die politische Meinungsbildung bei Jugendlichen.
Diese These bestätigte – auf alle Altersgruppen bezogen – auch der
Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schweiger von der
Universität Hohenheim in seiner Keynote. Der „informierte Bürger im
Netz“ könne auch schnell zum desinformierten Bürger werden, zeigte
Schweiger, denn die Nutzung journalistischer Quellen gehe zurück,
während die Nutzung „alternativer Medien“ im Internet, darunter zum
Teil algorithmisch personalisierte Nachrichtenkanäle, zunehme. Dazu
käme die steigende Relevanz von Quellen mit ähnlichen Meinungen, was
zum Hochschaukeln auch extremer Meinungen führen könne. „Wir alle
sind im Netz medienkompetenzmäßig überfordert“, warnte Schweiger.
Wie notwendig die Aufklärung über solche Mechanismen in der Schule
wäre, zeigten die Beispiele von Dr. André Haller zum Wahlkampf im
Netz – ein Vergleich des CDU- und des FDP-Wahlwerbespots zur
Bundestagswahl 2017. Der FDP-Spot zeigt laut Haller die neue Ästhetik
der medialen Inszenierung postmoderner Wahlkämpfe im Netz: schnelle
Schnitte und eine hektische Audiountermalung sollen vor allem bei der
jungen Zielgruppe Aufmerksamkeit wecken. Die Wahlkampfkommunikation,
so der Kommunikationswissenschaftler von der Universität Bamberg, sei
mittlerweile zur „Targetkommunikation“ geworden, die spezifische
Nachrichten für bestimmte Ziele und Zielgruppen aufbereite.
Kein Wunder, dass der Ruf nach mehr politischer Bildung und
Medienerziehung an den Schulen immer lauter wird, wie Simone
Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und
Lehrerinnenverbands (BLLV) bestätigte. Doch das allein reiche nicht:
„Wenn es Demokraten in Zukunft braucht, muss man Demokratie in den
Schulen leben“, so die BLLV-Präsidentin. Eine Forderung, die auch
Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands
und BLM-Medienrat, unterstützte. Neben dem effektiveren Einsatz neuer
Medien und der inhaltlichen Vertiefung sei insbesondere die Lehrkraft
ein starkes Element bei der Vermittlung politischer Bildung, betonte
Schwägerl. Doch das Thema kommt in der Schule offenbar zu kurz
genauso wie die Quellenprüfung. Facebook & Co sei ein großes Problem
im Zusammenhang mit der Uninformiertheit in puncto politischer
Bildung, sagte Filippos Papageorgiou, Landesschülersprecher der
beruflichen Schulen in Bayern. Auch Florian Schwegler,
Landesschülersprecher der Gymnasien, forderte, Bewusstsein für die
Risiken „neuer Medien“ zu schaffen.
Zu diesen Risiken gehört auch die Verbreitung politisch extremer
Positionen, wie BLM-Referentin Maria Monninger aus Jugendschutzsicht
und Dr. Miriam Heigl von der Fachstelle für Demokratie der Stadt
München verdeutlichten. Monninger zeigte Beispiele für
Jugendschutzverstöße aus der Prüfpraxis aus dem Spektrum des
Rechtsextremismus. Dass im Netz ein Radikalisierungsprozess zu
bemerken sei, verdeutlichte Heigl an „Hatespeech“-Beispielen. Der
Online-Enthemmungseffekt verstärke diesen Prozess.
Aber wie lasse sich im Kindes- und Jugendalter gegensteuern, damit
eine solche Radikalisierung erst gar nicht entstehe, fragte
Moderatorin Judith Horchert in der Abschlussrunde. Zum Beispiel mit
politischen Informationen auf YouTube, wie sie Mirko Drotschmann,
„MrWissen2go“, anbietet. Der Journalist hält eine Haltung für
generell wichtig, aber die eigene Meinung sollte in redaktionell
aufbereiteten Videos draußen bleiben, außer sie sei als solche
gekennzeichnet. Linda Joe Fuhrich, die Moderatorin der
Kindernachrichtensendung „logo!“, setzt auf die Interaktion mit den
jungen Zuschauern, zum Beispiel auf Instagram. Deren Kommentare und
Anregungen sind ihr sehr wichtig: Man müsse den jungen Zuschauern auf
ihren Plattformen die Chance geben sich einzumischen. Und das in
medialer Hinsicht bitte nicht mit „erhobenem Zeigefinger“, wie Prof.
Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in
Tutzing, anmerkte. Der öffentlichen Kritik an der wenig engagierten
Jugend konnte sie sich nicht anschließen: „Das Gerede, dass die
Jugend unpolitisch ist, ist völliger Blödsinn.“
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