Das, was der britische Premierminister David
Cameron am Montag im Unterhaus und am Dienstag vor den Lords in
Sachen Euro und EU zum Besten gab, mag auf den ersten Blick wenig
Neues enthalten. Von den englischen Konservativen, dieser skurrilen,
unnachahmlichen Mischung aus unterkühlter Zurückhaltung und
grenzenloser Arroganz, war noch nie ein gutes Wort über die Nachbarn
jenseits des Kanals zu erwarten gewesen. Also begreifen sie die
Euro-Krise als Chance zum Angriff. Dass Cameron jetzt allerdings ganz
unverhüllt alle Hebel benutzen will, um seine Zustimmung zu
notwendigen Reformschritten in der Euro-Zone von einer Rücknahme
bisheriger Integrationserfolge auf anderen Gebieten abhängig zu
machen, ist eine neue Form der Kampfansage. Die verbale Kraftmeierei
entpuppt sich bei näherem Hinsehen dann allerdings als Versuch, die
eigene Schwäche zu übertünchen. Die Konservativen selbst sind tief
gespalten in der EU-Frage. Eine starke, wirtschaftsorientierte
Minderheit will unbedingt in der EU bleiben. Camerons
Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, bestehen ebenfalls darauf,
nicht am Status Quo zu rütteln. Und da gibt es ja nicht nur England
im Vereinigten Königreich. Vor allem in Schottland, aber zu Teilen
auch in Nordirland wird der konservative Amoklauf gegen Europa mit
Interesse verfolgt. Cameron droht eine Volksabstimmung in Schottland,
bei der sich eine Mehrheit für die Wiedergewinnung eines Teils der
nationalen Souveränität entscheiden könnte. Dann würde dieser
Landesteil sicher eine eigenständige Europapolitik betreiben. Also
wählt der britische Premier die Flucht nach vorne und blufft. Er
findet zwar weder in der eigenen Partei, noch in seiner Koalition,
noch im gesamten Vereinigten Königreich Mehrheiten für seinen
Europa-Kurs und versucht dennoch, den Eindruck zu erwecken, er könne
diese Europäische Union gut dafür nutzen, ganz egoistische Ziele der
britischen Politik voranzutreiben. Das versteht er unter dem Slogan
„weniger EU“ verbunden mit dem Versuch, einer Grundsatzentscheidung
aus dem Weg zu gehen. Das mag manchem Europaskeptiker auf dem
Kontinent sehr gut gefallen, und Cameron wird da auf eine Mischung
von fremdenfeindlichen französischen Nationalisten und
kapitalismuskritischen deutschen Sozialisten stoßen. Das sind wenig
versprechende Hilfstruppen. Der Rest von Europa, wie der Kontinent
zuweilen in London genannt wird, sollte auf die Zumutungen aus
Großbritannien mit Entschiedenheit reagieren. Wer nicht wirklich
dabei sein will, darf auch nicht wirklich mitbestimmen.
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