Es tut sich was in der Union. Nach der Aussetzung
der Wehrpflicht und dem Abschied von der Atomkraft scheinen sich
viele Christdemokraten nun auch mit einem allgemeinen Mindestlohn
anzufreunden. Sehr zum Ärger der eigenen Wirtschaftsfachleute und des
liberalen Regierungspartners, die schon branchenspezifische
Lohnuntergrenzen als Anschlag auf die freie Marktwirtschaft
empfinden. Dabei hat die Grundidee der Arbeitnehmerschaft in der
Union durchaus Charme. Im Kern geht es um einen gesetzlichen
Mindestlohn mit tariflicher Öffnungsklausel. Böswillig könnte man
Etikettenschwindel dazu sagen. Denn ein Mindestlohn, der sich noch
unterbieten lässt, hat seinen Namen nicht verdient. Andererseits
können parteiinterne Kritiker nicht mehr stupide argumentieren, der
Mindestlohn sei nur ein Instrument zur Arbeitspatzvernichtung. Um die
notwendige wirtschaftliche Flexibilität und das soziale
Gerechtigkeitsempfinden unter einen Hut zu bringen, ist allerdings
mehr als der Hinweis auf den Tarifvorrang notwendig. Laut
Koalitionsvertrag wollen Union und FDP sittenwidrigen Löhnen den
Garaus machen. Doch was ist sittenwidrig, wenn schon die tarifliche
Vergütung in manchen Branchen deutlich unter fünf Euro pro Stunde
liegt? Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitgerichts wird ein Lohn
zum Hungerlohn, wenn er um mehr als ein Drittel von der ortsüblichen
Vergütung nach unten abweicht. Diese Rechtsprechung müsste auch
berücksichtigt werden, wenn man die Leiharbeit zum
bundeseinheitlichen Bezugsmaßstab für einen Mindestlohn erklärt. Denn
auch tarifvertragliche Abweichungen sollten ihre Grenzen haben. Ein
Hungerlohn bleibt ein Hungerlohn, egal, auf welche Weise er zustande
gekommen ist.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de