Lausitzer Rundschau: Starke Frauen, schwaches Land Zum Internationalen Frauentag

Deutschland ist frauenpolitisch ein seltsames
Land. Es ist irgendwie feministischer als andere, manchmal bis zum
Krampf. Neuerdings gibt es sogar Ampel-Frauen (mit Zöpfen), nicht
mehr nur Ampel-Männchen. Die Feministin Alice Schwarzer ist so
populär, dass sie in Unterhaltungsshows sitzt. Deutschland hat eine
Kanzlerin, und niemand fragt sich, ob eine Frau Kanzler kann. Eine
Kanzlerin übrigens, die, wie am letzten Freitag, vormittags in
Brüssel Euro-Rettungspakete verhandelt und nach Rückkehr im
Supermarkt in Berlin mit Plastiktüte einkaufen geht. Weil sie ihrem
Mann morgens immer das Frühstück macht, wie sie stolz erzählt. Wir
haben auch eine Arbeitsministerin mit sieben Kindern, denen allen
wiederum der Mann morgens das Frühstück macht. Deutschlands Mädchen
stellen weit mehr als 50 Prozent der Abiturienten, überwiegend die
besseren 50Prozent, und die Hälfte der Studenten. Und sind
trotzdem keine grauen Mäuse. Aber in diesem Land trauen sich die
Frauen (und Männer) nicht, Kinder in die Welt zu setzen. Oder sie
wagen es erst so spät, dass ein zweites Kind nicht mehr möglich ist.
In diesem Land gibt es nicht genug Betreuungsmöglichkeiten, und
Mütter halten sich immer noch für Rabenmütter, wenn sie arbeiten. In
diesem Land ist die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen
größer als irgendwo sonst. In diesem Land haben Frauen in der
Wirtschaft nichts zu sagen, außer in der Gastronomie, wo sie die
prekären Jobs machen. In diesem Land sind 97 Prozent der Vorstände
der großen Unternehmen und 88 Prozent der Aufsichtsräte Männer.
Dieses Land macht ganz offensichtlich in einigen Bereichen nichts aus
der Gleichberechtigung, die es politisch schon längst erreicht hat.
Es ist, als traute man sich nicht, nach A auch B zu sagen, nach
Kanzlerin nun auch Konzernchefin, nach Gender nun auch Kinder, nach
gleichen Rechten nun auch gleiche Bezahlung. Die Ablehnung einer
Frauenquote für Unternehmensführungen durch die Frauenministerin und
viele in Union und FDP ist irrational. Eine gesetzliche 30- oder
40-Prozent-Regelung wäre nur ein kleiner Schubser, um die Bastion
Wirtschaft für die Gleichberechtigung zu erobern, die darauf im
Grunde doch nur wartet. Sie wäre ein vorübergehendes Mittel, um auch
dort normale Verhältnisse durchzusetzen, nicht der Zweck. Das Nein
zur Quote ist ein wirkliches frauenpolitisches Versagen.

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