Lausitzer Rundschau: Parteitag wählt neue Führungsspitze: Linkes Soufflé

Eine Partei definiert sich als Organisation
politisch Gleichgesinnter, die ein Land gestalten wollen. Unter allen
in dieser Definition enthaltenen Gesichtspunkten ist die Linke keine
Partei. Ein großer Teil will das Land gar nicht gestalten, sondern
bloß Opposition sein, organisatorisch ist man außerhalb des Ostens
nur sehr schwach vertreten, und dass es eine gemeinsame politische
Gesinnung gäbe, das wird nach diesem Wochenende wahrlich niemand mehr
behaupten. Die linkssozialistische Kraft in Deutschland wollte man
sein, die Alternative zur SPD. Nur: Wenn sich diese Kraft selbst so
gar nicht finden will, wenn sie sich schon beim Wachsen heillos
zerstreitet, dann fehlt ihr offenbar das treibende Moment. Dann hat
Deutschland diese Alternative vielleicht gar nicht gebraucht,
jedenfalls jetzt nicht. Vielleicht wird es ja anders, wenn die
Euro-Krise auch unser Land erreichen sollte, wenn Armut und
Verelendung um sich greifen, und die Massen protestieren. Seit vielen
Jahren ist jedoch das Gegenteil der Fall. Nicht für jeden Einzelnen,
aber für die Gesellschaft insgesamt. Seit vielen Jahren geht es voran
für die meisten Deutschen, im Osten wie im Westen. Derzeit geht es
besonders gut voran. Im Grunde ist und war diese linkssozialistische
Alternative nur das Überbleibsel der DDR, eine reine Regionalpartei
Ost, die einen großen Resonanzboden bei den Wendeverlierern fand. Das
hält noch eine Weile, doch werden die Mitglieder in den neuen Ländern
immer älter und die Gründungsmotive immer verschwommener. Hartz IV
und die Reformen der Agenda 2010 haben dann für kurze Zeit über den
Osten hinaus eine soziale Protestbewegung aufflammen lassen, die die
Illusion nährte, es gebe bundesweiten Bedarf nach sozialistischen
Rezepten. Doch ist die Aufregung über die Reformen verebbt. Erstens,
weil sie so brutal und verelendend in Wahrheit nicht sind, und
zweitens, weil sie zum jetzigen Aufschwung beigetragen haben, von dem
auch viele Arbeitnehmer profitieren. Und Protestwähler finden
neuerdings mit den Piraten auch andere Alternativen. In Göttingen
ist das Projekt gesamtdeutsche Linkspartei nun wie ein Soufflé unter
Kaltluftzufuhr in sich zusammengefallen. Keine gemeinsame Strategie,
keine gemeinsame Führung, keine soziale Bewegung als antreibende
Basis. Bloß noch sektiererischer Streit, Eitelkeiten und eine tiefe
Ost-West-Kluft. Das ist das Bild. Die beiden aus dem Göttinger
Scharmützel hervorgegangenen, den Wählern völlig unbekannten
Zufallsvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger werden diesen
Zustand eher noch verschärfen, als dass sie ihn wenden könnten. Denn
sie haben keinerlei Autorität, sie sind, mindestens gilt das für
Riexinger, nur Gladiatoren, die ihre jeweiligen innerparteilichen
Fraktionen in den Ring geschickt haben. Ein Wort zu Oskar
Lafontaine. Welch ein Lebenswerk! Erst die SPD groß gemacht, in die
Regierung geführt. Dann Abgang im Hass unter Bruch vieler
Freundschaften. Danach die Linke groß gemacht, vorübergehend eine
neue Partei etabliert. Nun Abgang in Streit und Hass. Bruch mit
Gregor Gysi. Immer muss er das letzte Wort haben, und immer lässt er
nur Trümmer hinter sich. So einer kann kein glücklicher Mensch sein.

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