Lausitzer Rundschau: Netz des Versagens Zu den Erkenntnissen des NSU-Ausschusses

Eines kann man den Mitgliedern des
Untersuchungsausschusses zur Mordserie der rechten Terrorzelle gewiss
nicht vorwerfen: dass sie parteipolitisch ihr Süppchen zulasten der
Sicherheitsbehörden in Deutschland kochen. Im Gegenteil. Auch die
Parole, wir haben schon immer gewusst, dass die Geheimdienste auf dem
rechten Auge blind sind, hing den allermeisten Mitgliedern nicht an.
Dass dieser fatale Eindruck doch entstanden ist, dafür haben die
Vertreter der Sicherheitsbehörden bei ihren Vernehmungen selbst
gesorgt. Wenn sogar wohlmeinende Parlamentarier jetzt davon sprechen,
dass sie fassungslos sind angesichts der gewonnenen Erkenntnisse,
dann ist etwas faul hinter den Mauern der Dienste. Die meisten
Ermittler suchten die Täter bei der organisierten Kriminalität und
nicht im fremdenfeindlichen Milieu. Oder – weil es noch einfacher war
– in den Opferfamilien selbst. Wie perfide. Mit den merkwürdigsten
Methoden wurde konsequent falsch ermittelt, es wurden Hellseher und
Metaphysiker für den Kontakt zu den Toten beauftragt, oder
Döner-Buden betrieben, um die Täter anzulocken. Das Ignorieren von
Hinweisen und das Schreddern von Akten ist nur ein weiterer Ausdruck
behördlicher Ignoranz gewesen. Dieser Ausschuss hat schon mehr Pannen
und Ungereimtheiten rund um die Zwickauer Zelle zutage gefördert, als
man erwarten konnte. Auch das politische Versagen ist deutlich wie
nie geworden. Denn von oben wurde die Losung ausgegeben, es kann
nicht sein, was nicht sein darf. Vorneweg der damalige
SPD-Innenminister Otto Schily, der Fremdenfeindlichkeit nach dem
Nagelbombenattentat 2004 ausschloss. Oder der bayerische
Innenminister Günther Beckstein (CSU), der schon früh in den Akten
notierte, dass Ausländerhass ein Motiv sein könnte – aber keine
Konsequenzen zog. Und auch Wolfgang Schäuble (CDU) ist zu nennen, der
als Bundesinnenminister gegen jeden Expertenrat den Kampf gegen den
Rechtsextremismus durch Auflösung einer wichtigen Abteilung extrem
geschwächt hat. Am Netz des Versagens haben viele in den letzten
Jahren gesponnen. Mit Absicht? Die Stümperei öffnet jedenfalls auch
Verschwörungstheorien Tür und Tor. Der Rückschluss ist richtig, dass
einige Morde hätten verhindert werden können, wenn der Kampf gegen
rechts genauso zielorientiert geführt worden wäre wie der gegen den
islamistischen Terror. Der zurückgetretene Verfassungsschutzpräsident
Fromm hat dies eingeräumt. Außerdem flossen zwischen den Behörden die
Informationen nicht. Und bedenklich ist, dass dies heute immer noch
so ist. Aus Eitelkeit und mangels gesetzlicher Vorgaben. Es wird eine
weitere Aufgabe des Ausschusses sein, nach der Aufklärung für
dringend notwendige Veränderungen zu sorgen.

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