Der rot-grüne Triumph in Nordrhein-Westfalen lässt
die Berliner Protagonisten beider Parteien auch von einem glatten
Durchmarsch bei der nächsten Bundestagswahl träumen. Das ist
einerseits verständlich. Nur die wenigsten mochten zuletzt glauben,
dass Rot-Grün noch einmal so viel Strahlkraft entfalten würde. Genau
daraus erwächst andererseits aber auch die Gefahr der
Selbstüberschätzung. An Rhein und Ruhr kamen jedenfalls einige
Besonderheiten zusammen, die nicht automatisch auf den Bund
übertragbar sind. Da war zuallererst das Personal. Hier eine
super-starke Hannelore Kraft, dort ein denkbar schwacher Norbert
Röttgen. In Berlin ist die Konstellation eher umgekehrt. Weder Peer
Steinbrück noch Frank-Walter Steinmeier, geschweige denn Sigmar
Gabriel reichen auch nur entfernt an die Popularität von Angela
Merkel heran. Die Kanzlerin mag manche Wahl fast verloren haben, ihre
drei potenziellen Herausforderer haben persönlich noch keine einzige
gewonnen. Auch herrschte bei der SPD an Rhein und Ruhr eine
Geschlossenheit, die nicht unbedingt zu den Tugenden der Bundespartei
gehört. Mit der Demontage ihrer eigenen Vorturner haben die Genossen
jedenfalls eine Menge Erfahrung. Zumal eben noch gar nicht fest
steht, wer es denn nun wird. Auch kann Merkel mit einem weiteren
Pfund wuchern: der guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland.
Solides Wachstum, Rekordtief bei der Arbeitslosigkeit und volle
Auftragsbücher in den meisten Betrieben – das ist nicht gerade der
Stoff, der die Bürger in fundamentale politische Wechselstimmung
versetzt. In Nordrhein-Westfalen fehlte diese Wechselstimmung ja auch
– nur eben dort zugunsten der Regierungsparteien SPD und Grüne. Auch
die Euro-Krise spricht eher für die Amtsinhaberin in Berlin als für
SPD und Grüne im Doppelpack. Am Ende haben die Sozialdemokraten noch
jedem Gesetz zur Rettung des Euro zugestimmt. Und zwar auch deshalb,
weil sie wissen, dass die Bürger ihr Geld bei Merkel gut aufgehoben
wissen. Und noch etwas kommt hinzu: In NRW schaffte die Linkspartei
die Fünf-Prozent-Hürde nicht. Die Linken wurden sogar förmlich
zerrieben. Vor dem Hintergrund ihrer immer noch soliden Basis in
Ostdeutschland muss sich das aber nicht bei einer bundesweiten
Abstimmung wiederholen. Unter Einschluss der Piraten könnten im
Herbst 2013 nach heutigem Stand sechs Parteien in den Bundestag
einziehen. Für solide Zweier-Bündnisse ist das mindestens eine zu
viel. SPD und Grüne sollten sich also nicht zu früh freuen. Im Ringen
ums Kanzleramt haben beide Parteien eine Schlacht gewonnen, aber noch
lange nicht den Sieg.
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