Lausitzer Rundschau: Ein sensibles Feld Diskussion um Operationen für Ältere

Es ist ein politisch vermintes Gelände, auf das
sich Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr da begeben hat. Den gewiss
berechtigten Spardruck im Gesundheitswesen mit Zweifeln an der
Notwendigkeit von Hüft- und Knieoperationen zu verknüpfen, diese
anscheinend unbekümmerte Bemerkung des FDP-Ressortchefs musste
zwangsläufig nach hinten losgehen. Eine so holzschnittartige
Betrachtung kann bei alten Menschen jedenfalls nur Ängste auslösen.
Und das kurz vor den zwei wichtigen Landtagswahlen in
Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Bahr selbst stammt aus
dem bevölkerungsreichsten Land der Republik, in dem seine Partei
gerade ums Überleben kämpft. Schöner hätte die Steilvorlage für SPD
und Grüne also kaum sein können. Kein Wunder, dass die Koalition
inklusive Bahr gestern fieberhaft bemüht war, den politischen Schaden
in Grenzen zu halten. Dabei musste der Gesundheitsminister doch
eigentlich gewarnt sein. Schon vor zehn Jahren hatte ein
CDU-Politiker die halbe Nation gegen sich aufgebracht, als er
Senioren im hohen Alter das Recht auf ein künstliches Gelenk zulasten
der beitragszahlenden Allgemeinheit absprach. Um es klar zu sagen:
Die Zahl der operativen Eingriffe bei betagten Menschen wird weiter
steigen. Das ergibt sich schon aus der demografischen Entwicklung,
aber auch aus dem medizinisch-technischen Fortschritt. Vor nicht all
zu langer Zeit war ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk noch etwas
Besonderes. Und nicht wenige Rentnerinnen und Rentner könnten wohl
auch heute „ohne“ auskommen, aber es wäre eine starke
Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Die Frage, ob eine Leistung
medizinisch notwendig ist oder vermeintlich „überflüssig“, wird daher
wohl kaum immer eindeutig zu beantworten sein. Und auch die
Kostendiskussion ist ein sensibles Feld. Problematisch wird es zum
Beispiel dann, wenn gesundheitliche Defizite ins Spiel kommen, die
vermeidbar wären. Übergewichtigen zum Beispiel, denen die Gelenke
wegen ihrer angefutterten Pfunde zu schaffen machen, werden
künstliche Nachbesserungen allein jedenfalls nicht helfen. Zu fragen
bleibt auch, warum viele Eingriffe oft schon nach kurzer Zeit
wiederholt werden. Laut Statistik gehen sechs von 100 Operationen mit
einem künstlichen Kniegelenk schief. Auch müssen drei von 100 Hüften
bereits nach zwei Jahren erneuert werden. Hier treibt offenbar ein
schlechtes Qualitätsmanagement die Kosten. Das neue Konzept der
Koalition zur Krankenhausfinanzierung bleibt schlüssige Antworten auf
solche Fragen schuldig. Sie wären aber notwendig – und allemal besser
als unbedachte Äußerungen eines Bundesgesundheitsministers.

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