Lausitzer Rundschau: Ein schmerzhafter Prozess Berichterstattungüber Verfahren gegen Massenmörder Breivik

Norwegens Hauptstadt Oslo erlebt einen
Medienansturm wie kaum je zuvor. 1400 Journalisten aus aller Welt
sind angereist, um über den Prozess gegen Anders Breivik zu
berichten. Breivik, der rechtsradikale Massenmörder, der sein
kaltblütiges Töten von 77 Menschen als „Notwehr“ bezeichnet und
freigesprochen werden will. Der zum Prozessauftakt die Faust reckt
und über den sich Psychiater nicht einig sind, ob er zurechnungsfähig
ist oder nicht. Für die Angehörigen der Opfer und für die
Überlebenden des Massakers von Utøya werden die kommenden
Prozess-Wochen eine Tortur sein. Breivik, so ist zu befürchten, wird
versuchen, den Gerichtssaal als Bühne für die Darstellung seines
kruden Weltbildes zu nutzen. Quälende Details des Massakers werden
wieder in die Öffentlichkeit gelangen. Wäre es da nicht besser, die
Berichterstattung auf ein Minimum zu begrenzen? Warum so viel
Aufmerksamkeit für einen kaltblütigen Massenmörder? Auch viele
Norweger möchten laut einer Umfrage am liebsten nichts mehr von
diesem monströsen Verbrechen hören. Doch Verschweigen wäre die
falsche Antwort. Nur Öffentlichkeit in einem rechtsstaatlich
musterhaften Prozess kann verhindern, dass Breivik durch andere
Fanatiker vom Verbrecher zum Märtyrer umgedeutet werden kann. Die
Stärke einer Demokratie liegt gerade auch darin, dass sie mit ihren
erbittertsten Gegnern für jeden sichtbar nach Recht und Gesetz
verfährt. Was öffentlich verhandelt wird, taugt nicht als Nährboden
für Legenden. Und die Öffentlichkeit muss nachvollziehbar erfahren,
ob Breivik geistesgestört oder zurechnungsfähig ist. Denn wenn er
nicht in einem Wahnzustand tötete, ist es wichtig zu erfahren, was
ihn zu diesem abscheulichen Verbrechen trieb. Gibt es in diesem so
weltoffenen, liberalen Norwegen, eine islamfeindliche Strömung? Gibt
es ein europäisches Netzwerk von Rechtsextremisten und
fremdenfeindlichen Populisten, die mit ihrer Hetze Fanatiker wie
Breivik anstacheln? Nicht nur er, auch das rechtsextremistische
Mördertrio des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ in Deutschland
hat gezeigt, wie real in Europa inzwischen die Gefahr eines
mörderischen Terrors ist, der aus fremdenfeindlichem Fanatismus
entsteht. Eine Zivilgesellschaft kann sich nur mit den Bedrohungen
auseinandersetzen, die sie kennt. Auch deshalb muss über den Prozess
gegen Breivik berichtet werden. Dabei nicht Sensationsgier zu
bedienen und dem Angeklagten keinen unnötigen Raum zur
Selbstdarstellung zu gewähren, liegt in der Verantwortung der Medien.

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