Lausitzer Rundschau: Der peinliche Präsident Christian Wulff mimt ein letztes Mal den Ehrenmann

Alte Männer haben viel Zeit zum Nachdenken. Dem
einen geht ein Licht auf und er gilt fortan als weiser, alter Mann.
Das ist das eine Klischee vom alten Mann. Es gibt auch ein
entgegengesetztes Klischee: Da ist ein alter Mann, der verrennt sich
in einem Irrtum oder einer Lebenslüge. Sieht sich selbst als Held,
der nicht versteht, wie andere ihn verkennen. Und die anderen –
blicken brüskiert unter sich oder lachen verschämt. Das ist das
Klischee vom starrsinnigen alten Mann. Von einem (ehemaligen)
Bundespräsidenten erwartet man eher den Typus „weiser Mann“, doch der
Ex-Präsident Christian Wulff wird dem starrsinnigen immer ähnlicher.
Nur dass er nicht alt ist. Was die Geschichte der gescheiterten
Präsidentschaft- leider – noch peinlicher macht. Das ist traurig für
ein Land, das sich zu einer angesehenen Demokratie entwickelt hat,
die weltweit großen Respekt genießt. Hätte es so kommen müssen, dass
Wulff unter Hohn, Spott und Mitleid (die schlimmste Form der Kritik)
mit großem Bahnhof in den nicht verdienten, aber hochdotierten
Ruhestand verabschiedet wird? Nein, hätte es nicht. Fairerweise muss
man festhalten: Wulff wurde bis zum heutigen Tag strafrechtlich
nichts nachgewiesen. Ins Strudeln kam er aufgrund seines
zweifelhaften Umgangs mit der Wahrheit. Seinen Äußerungen fehlte die
nötige Klarheit und Vollständigkeit, die ein Volk von seinem
Bundespräsident erwarten darf. Je länger sich die Affäre um Urlaube
und Häuslebau hinzog, um so seltsamer wirkten seine Beteuerungen,
formaljuristisch nicht schuldig zu sein. Am Ende des Weges war nur
noch das Bild eines Mannes übrig, dem es nicht um Ehre und Werte,
sondern nur noch ums Geld ging. Und dann kam ein allerletztes kleines
Fenster, in dem Wulff hätte Bescheidenheit aufblitzen lassen können.
Er ließ es verschlossen, als wollte er trotzig dem Volk sagen: Ein
Ehrenmann hat diesen Zapfenstreich verdient, ich bekomme den
Zapfenstreich, also bin ich ein Ehrenmann. Tatsächlich hätte er
verzichten können. Das wäre kein Schuldeingeständnis gewesen, sondern
bei aller Niedrigkeit, die die Geschichte Wulff beherbergt, ein
winziges Signal von Rest-Größe. Nun hat Deutschland aber auch das
noch über sich ergehen lassen müssen. Kaum einer, der sich darüber
freuen kann. Nicht einmal Satiriker. Denn keine noch so gute oder
noch so bitterböse Satire kann das Fackel- und Trommel-Szenarium des
gestrigen Abends toppen.

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