Lausitzer Rundschau: Demokratie braucht ihre Zeit Zu Fiskalpakt und ESM sowie der Unterschrift des Bundespräsidenten

Jetzt Joachim Gauck der fahrlässigen Sabotage an
der Euro-Rettung zu beschuldigen, wie es in mancher Stellungnahme
durchklingt, ist absurd. Schon, weil nicht viel anbrennt, wenn der
Rettungsschirm ESM etwas später in Kraft tritt als ursprünglich
geplant. Was soll der Bundespräsident denn machen, wenn das
Verfassungsgericht ihn bittet, mit seiner Unterschrift noch zu
warten? Und was soll das Gericht machen, wenn ihm Eilanträge
vorliegen, die der Auffassung sind, dass die Euro-Rettungsbeschlüsse
gegen das Grundgesetz verstoßen? Jeder hat einen Anspruch auf
rechtliches Gehör, Bürger wie Parteien, und der darf nicht dadurch
ausgehebelt werden, dass vorher Fakten geschaffen werden.
Andererseits: Wie soll eine Regierung zusammen mit 26anderen
Staaten jemals Verabredungen treffen können, zum Beispiel die, dass
der ESM am 1.Juli startet, wenn in jedem Mitgliedsland jeder
quer schießen kann? Die Antwort lautet: Demokratie braucht eben ihre
Zeit. Und die muss man ihr geben. Die Entscheidungsprozesse sind in
demokratischen Rechtsstaaten komplex. Europa wird nie eine
Hauruck-Veranstaltung werden. Durchregieren kann man hier nicht. Die
Regierung Merkel hat das missachtet. Sie ist für das Kuddelmuddel
deshalb verantwortlich. Sie hat die Bundestagsentscheidung über den
schon seit Anfang des Jahres vorliegenden ESM und den Fiskalpakt auf
den spätesten möglichen Termin gelegt – um die Parlamentarier unter
Zeitdruck zu setzen. Sie hat die Verhandlungen mit den
Oppositionsfraktionen erst nach den Landtagswahlen im Mai aufgenommen
– aus taktischen Gründen. Sie hat gedacht, Bundestag,
Verfassungsgericht und Bundespräsident seien Abnickvereine. Das sind
sie nicht.

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