Sie hat es schwerer denn je, die nordatlantische
Verteidigungsgemeinschaft. Gegründet wurde sie mit einem klaren
Feindbild, dem von der Sowjetunion beherrschten Imperium. Aber seit
1990 hat es die Nato trotz vielfältiger Anstrengungen und vieler
neuer Mitglieder nicht vermocht, die Frage klar und eindeutig zu
beantworten, gegen wen sich dieses militärische Bündnis richten oder
vor wem es schützen soll. Auch deswegen stolperte die Allianz in den
Afghanistan-Einsatz, ohne hinreichend darauf vorbereitet zu sein.
Jetzt, da sie zum ersten Mal Krieg führt, schiebt die Nato einen Berg
ungelöster Fragen vor sich her. Washington unter Präsident Bush hatte
ganz andere Prioritäten, als sich mit den Problemen der Verbündeten
zu beschäftigen. Und der Angriff auf den Irak spaltete das Bündnis
nicht nur, sondern warf die grundsätzliche Frage auf, ob es überhaupt
noch ein Fundament gibt für eine gemeinsame Sicherheitspolitik.
Inzwischen geben viele Mitgliedsländer wesentlich größere Summen zur
Stabilisierung ihrer Finanzwirtschaft aus als für die militärischen
Kapazitäten. Und innerhalb der Nato haben sich die Gewichte weiter
verschoben. Die USA mit ihrer weltweiten Präsenz, ihrer Überlegenheit
in der Entwicklung der Waffentechnologie und mit ihren
unvergleichlich hohen Ausgaben für die Kriegsführung bestimmen mehr
denn je die weitere Entwicklung. Aber Amerika ist weiterhin nur sehr
beschränkt handlungsfähig. Die jüngste Vereinbarung zur weiteren
Reduzierung des nuklearen Waffenarsenals mit Moskau droht im Kongress
zu scheitern, und eine gründliche Diskussion der strategischen Ziele
mit den europäischen Partnern ist nirgendwo in Sicht. Die wiederum
sind mit der Neustrukturierung ihrer Armeen beschäftigt und sie tun
dies noch immer weitgehend ein jeder für sich im Alleingang. Da wird
es noch viele Jahre dauern, bis die EU zu einer halbwegs integrierten
Verteidigungspolitik in der Lage ist. Soll die Nato aber, wie jetzt
von Präsident Barack Obama gefordert, wiederbelebt werden, so bedarf
es einer klaren Zielbestimmung. Ein solches Bündnis muss für
jedermann verständlich definieren können, vor welchen Bedrohungen es
schützen soll und mit welchen Mitteln es auf Gefahren zu reagieren
gedenkt. Darauf wird allerdings der Gipfel in Lissabon auch keine
Antwort geben.
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