Krankenhäuser sollen die Belange behinderter Menschen berücksichtigen

Am gestrigen Mittwoch, dem 26. März 2014, hat sich
der Deutsche Ethikrat im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung der
Reihe „Forum Bioethik“ in München mit dem Thema „Menschen mit
Behinderung – Herausforderungen für das Krankenhaus“ beschäftigt.

Gemeinsam mit Betroffenen sowie Vertretern aus den Bereichen der
Gesundheitsversorgung und Pflege sowie der Pflegeforschung hat der
Ethikrat die aktuelle Debatte um Defizite der Krankenhausversorgung
von Menschen mit Behinderung thematisiert und anhand bereits
existierender, gut funktionierender Modelle nach Lösungsvorschlägen
gesucht.

Irmgard Badura, die Beauftragte der bayerischen Staatsregierung
für die Belange von Menschen mit Behinderungen, dankte in ihrem
Grußwort dem Deutschen Ethikrat für seine Initiative, dieses Thema
aufgegriffen zu haben. Denn die Versorgung von Menschen mit
Behinderungen im Gesundheitswesen sei unzureichend. Badura forderte
eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene, um eine Verbesserung der
Krankenhausbehandlung von Menschen mit Behinderungen zu erreichen.
Sie hoffte, „dass von der Veranstaltung des Ethikrates ein Impuls
ausgeht, diese Ungleichbehandlung endlich zu beenden“.

Die Debattenbeiträge und Untersuchungen, in denen die Defizite in
der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen
aufgezeigt werden, sind in den letzten Jahren und vor allem seit
Umgestaltung des Fallpauschalensystems im Jahr 2002 sehr zahlreich
geworden: Medizinische Entscheidungen werden nicht selten über die
Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen; das Pflegepersonal ist oft
nicht auf die speziellen körperlichen und emotionalen Bedürfnisse der
Patienten eingestellt; Patienten werden zu schnell aus der
Krankenhausbehandlung entlassen. Die Kommunikation mit gehörlosen
Menschen und solchen mit geistigen Beeinträchtigungen weist
erhebliche Mängel auf.

Das Gesetz zur Pflegeassistenz im Krankenhaus von 2009 konnte das
Problem nicht lösen, weil es lediglich denjenigen zugute kommt, die
Geldleistungen aus der Pflegeversicherung beziehen und mit diesen
Mitteln ambulante Pflegekräfte zu Hause selbst beschäftigen.
Empfänger von ambulanten Pflegeleistungen als Sachleistungen oder
Menschen, die bereits im Heim untergebracht sind, bekommen dagegen
keine zusätzliche Assistenz im Krankenhaus.

Die Redner des Abends stimmten darin überein, dass es, ausgehend
von verschiedenen Beispielen gelungener Praxis, nicht allein darauf
ankommt, die finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser zu verbessern
und die Krankenhausstrukturen den Bedürfnissen von Menschen mit
Behinderungen anzupassen. Dem ärztlichen, pflegerischen und
therapeutischen Personal im Rahmen einer besseren Aus- und
Fortbildung die nötigen fachlichen und kommunikativen Kompetenzen und
vor allem auch eine Haltung zu vermitteln, die auf der Begegnung auf
gleicher Augenhöhe beruht, wurde als ebenso wichtig erachtet.

Zu den konkreten Vorschlägen, die im Laufe der Veranstaltung
zusammengetragen wurden, zählen eine angemessene Personalausstattung,
eine koordinierende Patientenberatung, eine sinnvolle Kombination von
Regelversorgung und spezialisierter Versorgung im Sinne eines
ganzheitlichen Ansatzes, eine bessere Vernetzung der gesamten
medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen sowie die
Dokumentation des Mehraufwandes in der medizinischen Behandlung von
Menschen mit Behinderungen. Empfohlen wurde auch, an jedem
Krankenhaus die Stelle eines Behindertenbeauftragten zu schaffen.

Die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarte Förderung
medizinischer Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderungen,
wurde in diesem Zusammenhang als richtiger und wichtiger Schritt in
diese Richtung gewertet, den es weiter zu verfolgen gilt.

Konsens herrschte auch in der Frage, dass eine breite öffentliche
Diskussion über dieses Thema, wie sie mit der Abendveranstaltung des
Ethikrates in München angestoßen wurde, zu einer höheren Sensibilität
aller Akteure des Gesundheitssystems beitragen und die Grundlage für
konkrete Änderungen bilden kann.

Das Programm der Veranstaltung sowie in Kürze auch die Vorträge
und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer können unter
http://ots.de/OU02N abgerufen werden.

Pressekontakt:
Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
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