Kieler in Syrien verschleppt – Auswärtiges Amt in der Kritik

Nach Informationen des NDR Magazins „Menschen und
Schlagzeilen“ ist ein Kieler Jurist vor einem Monat in Syrien von der
Geheimpolizei verschleppt worden. Ismail Abdi, ein Deutscher
syrischer Abstammung, ist seitdem verschwunden. Der 50-Jährige war am
23. August kurz vor der Ausreise am Flughafen Aleppo ohne Angabe von
Gründen vor den Augen seiner Familie von syrischen Geheimpolizisten
festgenommen worden. Abdi hatte zusammen mit Verwandten in Syrien
seine im Sterben liegende Mutter besucht. Die Familie ist in großer
Sorge, von Abdi fehlt jedes Lebenszeichen.
Menschenrechtsorganisationen und Volker Beck, Parlamentarischer
Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag,
erheben bei „Menschen und Schlagzeilen“ (Sendung: Mittwoch, 22.
September, 21.00 Uhr, NDR Fernsehen) schwere Vorwürfe gegen die
deutsche Behörden: Das Auswärtige Amt in Berlin unternehme zu wenig,
um Ismail Abdi freizubekommen, obwohl dieser über einen deutschen
Pass verfügt.

Ismail Abdi setzt sich seit Jahren für Menschenrechte und
Demokratie in Syrien ein. Vor Monaten veröffentlichte er im Internet
eine Liste mit Namen von Verschwundenen und gefolterten Menschen in
Syrien. Seine Familie vermutet, dass das ein Grund für die Festnahme
sein könnte: „Er wurde einfach mitgenommen. Wir konnten uns nicht
einmal von ihm verabschieden“, sagt seine 20-jährige Tochter Farah.
„Wir wissen, dass dort in den Gefängnissen nicht menschlich mit den
Leuten umgegangen wird. Das lässt unsere Angst und Ungewissheit noch
viel größer werden.“ Auch die medizinische Versorgung bereitet der
Familie Sorge: Abdi ist schwerer Asthmatiker, seine Medikamente sind
inzwischen aufgebraucht. Martin Link, Geschäftsführer des
Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein, fürchtet, dass Abdi in Syrien
gefoltert werde. Immer wieder würden Menschen, die sich wie Ismail
Abdi kritisch über das Regime in Syrien geäußert haben, plötzlich
verschwinden. „Ismail Abdi ist der Gefahr von Folter ausgesetzt, von
langjähriger Inhaftierung. Es ist wahrscheinlich, dass ihm kein
Prozess gemacht wird, er kein faires Verfahren bekommt – es kann
sein, dass er für immer verschwindet, wenn sich niemand für ihn
einsetzt.“

In ihrer Verzweiflung hat sich die Familie in einem Brief an
Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Auswärtige Amt in Berlin
gewandt, mit der Bitte, sich für die Freilassung des Vaters
einzusetzen. Auf Nachfrage von „Menschen und Schlagzeilen“ teilte das
Auswärtige Amt mit, dass man Kontakt mit den Behörden in Syrien
aufgenommen habe, aber nicht wisse, wo sich Ismail Abdi befindet.
Auch Außenminister Guido Westerwelle wisse von dem Fall. Volker Beck,
Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90 / Die
Grünen im Bundestag, fordert das Auswärtige Amt auf, mehr Druck auf
Syrien auszuüben: „Es gibt zahlreiche, internationale Begegnungen
auch zwischen Deutschland und Syrien. In diesem Rahmen müsste der
Fall Abdi in höchstem Rahmen angesprochen werden, weil er ein
Staatsbürger unseres Landes ist. Unabhängig davon, ob er den
syrischen Pass noch hat oder nicht, muss sich die Bundesregierung
darum kümmern, dass Herr Abdi frei kommt und zu seiner Familie in
seine Heimat zurückkehren kann: in die Bundesrepublik Deutschland.“

Informationen zur Sendung finden Sie auch unter
www.ndr.de/menschenundschlagzeilen

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