Individuelle Gesundheitsleistungen:Ärzte kommen ihrer Aufklärungspflicht bei privat zu zahlenden Leistungen nur ungenügend nach

Gesetzlich versicherte Patienten bekommen beim Arzt
immer mehr privat zu zahlende Leistungen angeboten. Im vergangenen
Jahr war es fast jeder Dritte, bei dem eine solche individuelle
Gesundheitsleistung angeboten oder abgerechnet wurde. Doch zwei
Drittel der Patienten hatten im Vorfeld keine schriftliche Zustimmung
für die Behandlung erteilt; jeder Fünfte hat keine Rechnung erhalten.
Dabei ist beides eindeutig vorgeschrieben. Welche Defizite es im
Umgang mit den Privatleistungen noch gibt, zeigt der neue WIdOmonitor
des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Der Anteil der gesetzlich Versicherten, die 2012 eine individuelle
Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten bekamen oder bei denen eine
solche Leistung abgerechnet wurde, verdreifachte sich zwischen 2001
und 2012 von 8,9 Prozent auf 29,9 Prozent. Die Gesamtzahl der
angebotenen bzw. nachgefragten IGeL betrug damit 2012 hochgerechnet
auf alle erwachsenen gesetzlich Versicherten über 26 Millionen. Das
ist ein Zuwachs um 65 Prozent gegenüber 2005. 18,2 Millionen IGeL
wurden tatsächlich erbracht. Bei durchschnittlichen Kosten von 70
Euro je Leistung umfasst der IGeL-Markt somit rund 1,3 Milliarden
Euro.

Deutliche Defizite bei der ärztlichen Beratung

Bietet ein Arzt eine privat zu zahlende Leistung an, muss er die
Patienten über den Nutzen und die Zuverlässigkeit der
Behandlungsmethode aufklären, eine schriftliche Vereinbarung vom
Patienten unterzeichnen lassen und eine Rechnung ausstellen. Doch bei
der Qualität der ärztlichen Beratung und der Umsetzung der
rechtlichen Vorgaben zeigten sich in der repräsentativen Befragung
für den WIdOmonitor des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
deutliche Defizite: Die befragten Patienten haben mehrheitlich keine
schriftliche Zustimmung für die IGeL-Leistung erteilt (65,9 Prozent)
und mehr als ein Fünftel (22,1 Prozent) hat keine Rechnung über die
erbrachte Leistung erhalten. Damit haben sich die Probleme im
formalen Umgang mit IGeL im Vergleich zu 2010 sogar noch verstärkt.
Damals hatte etwa jeder Zweite (54,4 Prozent) keine schriftliche
Vereinbarung geschlossen und nur jeder Siebte (14,5 Prozent) hatte
keine Rechnung erhalten.

Auch ihrer Informationspflicht kommen viele Ärzte nur unzureichend
nach. Nur in jedem zweiten Fall (53,5 Prozent) wurde der Nutzen der
angebotenen IGeL gut erklärt. Jeder Fünfte (20 Prozent) empfand die
Beratung sogar als schlecht oder sehr schlecht. Angaben über die
Zuverlässigkeit empfohlener Diagnoseverfahren erhielten nur 46,2
Prozent der Befragten, bei Glaukomvorsorgeuntersuchungen sogar nur
28,3 Prozent. Darüber hinaus fühlten sich mehr als ein Viertel der
Patienten (26,9 Prozent) vom Arzt zeitlich unter Druck gesetzt bei
ihrer Entscheidung für oder gegen eine IGeL-Leistung.

Dabei hatte der Deutsche Ärztetag bereits 2006 Grundsätze zum
Umgang mit IGeL formuliert, in denen genau diese Aspekte thematisiert
wurden. „In der Praxis kommen die Ärzte den von ihnen selbst
aufgestellten Anforderungen an den Umgang mit privat zu zahlenden
Leistungen nur ungenügend nach. IGeL sind und bleiben ein Stachel in
der Beziehung zwischen Arzt und Patient“, sagte Klaus Zok, Autor des
WIdOmonitors.

Angebot für IGeL steigt mit dem Haushaltseinkommen

Die Initiative für die Inanspruchnahme einer Selbstzahlerleistung
ging nur in knapp einem Drittel der Fälle (30,1 Prozent) von den
Patienten aus. Die Zahl der angebotenen Selbstzahlerleistungen
korreliert deutlich mit dem Haushaltsnettoeinkommen der Patienten: Je
höher das Einkommen, desto mehr IGeL werden angeboten. Analysen nach
Alter und Gesundheit der Befragten ergaben dagegen keinen
Zusammenhang. „Das vertieft den Eindruck, dass für das Angebot von
Privatleistungen die wirtschaftlichen Interessen des Arztes im
Vordergrund stehen und nicht die medizinische Notwendigkeit“, so
Klaus Zok.

Die Ergebnisse des WIdOmonitors beruhen auf einer bundesweiten
Befragung vom November und Dezember 2012. Die repräsentative
Stichprobe umfasst 2.003 Personen ab 18 Jahren, die bei einer
gesetzlichen Krankenkasse versichert sind. Die befragten Versicherten
verteilen sich auf alle Krankenkassen.

Mehr Infos im Internet:

Der WIdOmonitor 1/2013 steht unter
http://www.wido.de/wido_monitor_1_2013.html zum Download bereit.

Pressekontakt:
Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)
Christine Göpner-Reinecke
Tel.: 030/3 46 46-2011
E-Mail: christine.goepner-reinecke@wido.bv.aok.de

Weitere Informationen unter:
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