
MANNHEIM. Fußball WM-Halbfinale 2014 im berühmten Maracana-Stadion von Rio de Janeiro: Die Brasilianer sind motiviert bis in die Haarspitzen – und gehen nach 90 Minuten mit einer deftigen Niederlage vom Platz. Ist Motivation allein doch nicht Alles? Was Unternehmen von erfolgreichen Teams aus dem Spitzensport lernen können – das ist Inhalt eines Vortrages von Prof. Dr. Michael Nagy im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Leonardo ROYAL Network“.
Der renommierte Wissenschaftler und Hochschulmanager ist Präsident der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim und war selbst rund 20 Jahre GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstand von mehreren Unternehmen. Er hat das Sicherheitsregelwerk des Deutschen Fußball-Bundes als Projektleiter federführend mit entwickelt und ist Führungskräftetrainer in Unternehmen und in Sportverbänden.
Die zahlreichen Gäste im Leonardo-Royal-Hotel in Mannheim staunten nicht schlecht über den außergewöhnlichen Background von Prof. Nagy, der seit vielen Jahren Führungskräfte in Mittelstandsunternehmen wie auch in großen Konzernen erfolgreich coacht. Der Diplom-Pädagoge promovierte nach seinem Studium von Sozialwissenschaften, Psychologie und Volkswirtschaft an der Pädagogischen Hochschule und der Technischen Universität Braunschweig zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Beratung. Hier ein kleiner Auszug seiner Tätigkeiten:
• Führungskräftetrainer, u.a. für die Führungsakademie Baden-Württemberg und das Malik Management St. Gallen
• Hochschullehrer mit Schwerpunkt Management
• Kooperationspartner der Deutschen Fußball Liga DFL und des Deutschen Fußball Bundes DFB für die Qualifizierung von Führungskräften im Veranstaltungsmanagement und Sicherheitsmanagement des Profifußballs
• Ausbilder und Coach für Laufbahnberater der Deutschen Olympiastützpunkte
Motivation und extrem gute Wahrnehmung sind von großer Bedeutung
Zum Event: Nagy räumte in seinen Ausführungen gleich mit so einigen Vorurteilen auf. So sei Führung nicht darin zu sehen, dass Teammitgliedern oder Mitarbeitern unentwegt „Honig ums Maul geschmiert“ werde, sondern eine klare Ansage seitens der Führungskraft hinsichtlich der Aufgabenstellung der Teammitglieder im Fokus stehe.
Am Beispiel des Brasilianischen Fußballteams nahm er die so oft praktizierte „falsch dosierte Motivation“ aufs Korn, denn „die häufig beschworene extreme Motivation macht blind für Risiko“. Nagy ging weiter auf ein wichtiges Erfolgsmuster ein, nämlich „Motivation und extrem gute Wahrnehmung“. Erfolgreiche Spitzenteams haben gelernt, hoch motiviert UND risikobewusst zu agieren. Nie war ein solches Lernen für Führungsteams wichtiger – im Bankensektor ebenso wie im Automobilbau, siehe aktuelle Nachrichtenlage.
Teammitglieder mit eindeutigen und konkreten Schlüssel-Aufgaben betrauen
Ein weiteres Erfolgsmuster sind Stärken und Assignments: Die Besten Coaches haben einen extrem genauen Blick auf die Stärken ihrer Teamplayer – und setzen diese stärkenorientiert ein. Sich richten sie vor dem Spiel immer wieder neu auf die konkreten Schlüssel-Aufgaben (Assignments) aus. Dabei haben Einzelgespräche längst die größere Bedeutung und nicht irgendwelche „Meetings“. Ein Vorbild für Unternehmen!
Ein weiteres Erfolgsmuster ist: Sichtbarkeit statt „Mythos Team“! So machen die Spitzen-Coaches JEDEM klar, dass es bei bestimmten Aufgaben NUR auf IHN ankommt. Dabei beobachten und bewerten sie sehr genau! Rat für Unternehmen: Möglichst selbständige Aufgabenerledigung und damit Accountability schaffen und sogenannte Verstecke im Team geschickt „wegorganisieren“.
Klingt altbacken, ist aber top-aktuell: Lernen, Ãœben, Optimieren – das Erfolgsrezept
Dass Lernen, Üben und Optimieren nicht schaden kann, klingt logisch. Auf diese Weise haben Talente eine Chance, zu echter Klasse zu gelangen. Grundvoraussetzung im Sport und in Unternehmen: Das Vermeiden von zu hoher Zufriedenheit, die oft in Selbstgenügsamkeit, Überheblichkeit und Trägheit mündet.
Studien zeigen, dass Teams im Sport und in Unternehmen dann besonders leistungsfähig sind, wenn sie Selbstvertrauen mit produktiver Unzufriedenheit verbinden können („Das können wir noch viel besser!“) – eine Aussage, die größere Teile von „Zufriedenheits-Befragungen“ ad absurdum führt! Als beispielhafte Warnung kann hier die 2:0-Pleite Ende 2014 in Polen angeführt werden, nach sieben Jahren die erste Niederlage einer deutschen Mannschaft in Qualifikationsspielen.
Erfolgsmuster Nummer 5: Sofort, konkret, deutlich kommunizieren im Team! Der Leitsatz dazu: Niederlagen machen sprachlos – aber Sprachlosigkeit macht auch Niederlagen! In Hochleistungsteams wird untereinander ständig direktes, ungefiltertes und eindeutiges Feedback gegeben. Beziehung wird hier durch gemeinsame hohe Ziele und Erfolgserlebnisse gestiftet. Und nicht durch „Schmuse-Kommunikation“. Unternehmen sollten an einer entsprechenden Kultur der Eindeutigkeit in der Kommunikation arbeiten.
Der Star ist die MANNSCHAFT
DER STAR IST DIE MANNSCHAFT! Wer kennt diesen Slogan nicht? Mannschaften, Teams oder Unternehmen mit einem „Star“ sind leicht auszurechnen – die Konkurrenz kann ihn angreifen, ausschalten oder abwerben. Die MANNSCHAFT als Star hat hingegen viele Optionen! Es bedarf allerdings der Voraussetzung, dass so geführt wird, dass der Zusammenhalt, der Teamgeist, stets die interne Konkurrenz überwiegt. Gerade die amerikanische Managementlehre mit dem „Survival oft he Fittest“ und dem Predigen der Wirksamkeit extremer interner Konkurrenz zerstört oft die Mannschaftsleistung.
Dies bedeutet in der Konsequenz auch: Man muss Intriganten, Narzissten und Egomanen fernhalten. Diese spielen nie auf den besser stehenden Mitspieler ab und „Cross Selling“ ist für sie eine Art Kränkung. Dies ist auch eine wichtige Botschaft für jede Art von Personal-Rekrutierung! Wobei dies auch gleichzeitig bedeutet, dass Unternehmen teamfördernde Vergütungs- und Beförderungssysteme entwickeln müssen!
Aus Niederlagen lernen: Am Beispiel von Fußball-Bundestrainer Joachim Löw
Ein Leben ist ohne Niederlagen nicht möglich! Und welche Lehren hat Bundestrainer Joachim Löw aus dem EM-Aus gegen Italien 2012 gezogen? „Jeder macht Fehler“, räumt er ein „ich wollte Italiens Mittelfeld-Star Pirlo eindämmen, aber hinterher muss man sagen, der Plan ist nicht aufgegangen. Dafür übernehme ich die Verantwortung. An diesem Tag haben wir alle nicht die Leistung gebracht, die wir hätten bringen müssen“. Die Niederlage habe ihm aber in seiner „persönlichen Entwicklung und beim WM-Turnier in Brasilien geholfen – auch in meinen Ãœberlegungen. Das war für mich eine gute Lehre“.
Gute Führungskräfte klären mit ihren Teammitgliedern intern das Notwendige. Sehr eindeutig und auch hart, wenn es wichtig ist. Nach Außen stellen sie sich vor ihr Team – und sie stehen treu zu ihren Leistungsträgern. Sie tolerieren keine Fehler – aber sie verzeihen Fehler und vertrauen weiter! Das ist unter Trainern und Führungskräften durchaus keine Selbstverständlichkeit. „Werden alle angesprochenen sieben ,Thesen‘ verinnerlicht, ist man als Führungskraft auf der sicheren Seite. Zumal sich die Kernaussagen – empirisch nachweisbar – in der Praxis bewährt haben“, so Nagy in seinem Fazit. Text: Franz Motzko