HdWM: Erste Flüchtlinge studieren IT Management an Management-Hochschule

HdWM: Erste Flüchtlinge studieren IT Management an Management-Hochschule
Journalisten fragen – Studierende Flüchtlinge anworten. Foto: Franz Motzko
 

MANNHEIN. An der unternehmensnahen Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim haben Anfang April die ersten Flüchtlinge ihr Management-Studium aufgenommen. Sämtlichen formalen und studientechnischen Hindernisse auf dem Weg dorthin konnte die Hochschulleitung – in Abstimmung mit dem Wissenschaftsministerium – aus dem Wege räumen.

Außerdem wird die HdWM durch das Programm „Welcome – Studierende“ gefördert, das der Deutsche Akademische Auslandsdienst (DAAD) aufgelegt hat. „Dieses Projekt zielt darauf ab, studierfähige Flüchtlinge auf ein wirtschaftswissenschaftliches Studium in Deutschland vorzubereiten und in den jeweiligen Hochschulort und die Hochschule zu integrieren“, sagt der Präsident der HdWM, Prof. Dr. Michael Nagy.

Im Mittelpunkt der Aktivitäten der HdWM zur Integration der Flüchtlinge in den Studienbetrieb stehen derzeit:

• Zulassungsbedingungen, Plausibilitätsprüfungen, Zeugnisse, Eignungstest (auch in Arabisch)
• Bürokratische Hindernisse – Wohnungssituation – BAFöG
• Die bemerkenswerte Unterstützung durch Unternehmen und Privatpersonen!
• Die gesellschaftliche Verantwortung der HdWM

Wissenschaftsministerium gibt ganz unkonventionelles O.K. für Eignungstest der HdWM

Die Zulassungsvoraussetzungen für Flüchtlinge zum Studium sind das zentrale Thema im Vorfeld der Aufnahme eines Studiums. So hat das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg einen von der HdWM entwickelten Eignungstest zur Zulassung zum Studium genehmigt, und das in Rekordzeit. Darin heißt es, dass „sich die Zulassung studierfähiger Flüchtlinge im Rahmen des KMK-Beschlusses bewegt und einer Umsetzung keine Einwände entgegenstehen“.

Die HdWM hat so die Möglichkeit, die Studierfähigkeit mit ihrem eigenen Verfahren festzustellen. Vor diesem Hintergrund konnten bisher rund 60 Flüchtlinge entsprechend beraten und begutachtet werden. 10 Studierende wurden bereits für das Sommer- bzw. Winter Semester 2016 im innovativen Studiengang IT-Management zugelassen und es folgen aktuell weitere.

Goethe-Institut und Unternehmen aus der Metropolregion unterstützen HdWM-Projekt

Zahlreiche Unternehmen der Metropolregion, darunter IBM, Hays AG, Softwarekontor GmbH, Lieblang Dienstleistungsgruppe, SCA HYGIENE PRODUCTS GmbH, Sparkasse Rhein-Neckar-Nord und die Marie-Luise und Normann Stassen-Stiftung, übernehmen Studiengebühren und/oder beteiligen sich am Lebensunterhalt von Studierenden. Das Institut für Deutsche Sprache führt in Kooperation mit der HdWM und Sponsoren aus der Wirtschaft eine Begleitforschung zur Integration der Flüchtlinge durch und unterstützt deren Spracherwerb.

Das neue Gebäude des Goethe-Instituts Mannheim befindet sich auf dem Campus der HdWM, wodurch sich die sprachliche Fortbildung während des Studiums gut in den Studienplan integrieren lässt. Und: Mit Hilfe des Goethe-Instituts konnten auch Zimmer für Studierende gefunden werden.

Inhalte des Studiengangs IT Management besonders gut geeignet für Flüchtlinge

Der Studiengang IT Management wird vornehmlich vom HdWM-Partnerunternehmen IBM gefördert. Neben IBM und SAP waren weitere mittelständische Unternehmen in die Entwicklung des anspruchsvollen Studienganges mit eingebunden. „Ein hervorragendes Beispiel zielgerichteten Zusammenwirkens von Unternehmen, Hochschule und Wissenschaftsministerium“, sagt Nagy.

Die Inhalte von IT Management seien weniger von ,klassischer‘ Informatik geprägt, sondern zielten viel mehr auf einen praxisbezogenen, anwendungsorientierten IT-Service für das Management von Firmen. Außerdem sprechen für den Studiengang die sehr guten Startmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland wie auch in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Und: Es gebe für diesen Studiengang die ideale Situation, dass mehr geförderte Studienplätze zur Verfügung stünden, als derzeit von Studenten genutzt.

Fehlende Dokumente? Fast kein Problem!

Ein weiteres Thema betrifft die Anerkennung von Zeugnissen und Dokumenten von Flüchtlingen. Nagy: „Fehlen die Dokumente und Zeugnisse teilweise oder ganz, kommt ein mit dem Wissenschaftsministerium abgestimmter Eignungstest zur Anwendung, den die HdWM ganz speziell für Einschätzung der Studierfähigkeit konzipiert hat. Wir haben ein ganz einfaches Verfahren zusammen mit Unternehmen entwickelt und standardisiert, das sowohl die Situation der Flüchtlinge und gleichzeitig auch die Anforderungen der Hochschule und des Ministeriums berücksichtigt“.

„So dienen Lebenslauf-Analysen der Flüchtlinge dem ersten Kennenlernen. Eine Plausibilitätsprüfung und das direkte Gespräch sind weitere wichtige Einflussgrößen. Auf dieser Basis wird dann von einer Kommission, die aus Professoren und Vertretern von Partnerunternehmen besteht, eine Entscheidung getroffen“, stellt Nagy weiter heraus.

Hier ein Beispiel über die unkomplizierte Herangehensweise bei der Lösung von Problemen: Ein Flüchtling konnte kein Zeugnis vorweisen, es befand sich bei seiner Familie in Syrien! Was tun? Man nahm kurzerhand telefonischen Kontakt mit der Familie auf, das Zeugnis wurde in Syrien mit einem Smartphone abfotografiert und an die Hochschulleitung der HdWM übermittelt. „Hier überprüft eine Klärungsstelle für komplizierte Sachverhalte die mündlichen Angaben sowie die vorgelegten Dokumente auf ihre Korrektheit. Und bei Sprachproblemen wird stets für die Übersetzung ins Arabische Sorge getragen“, sagt Nagy.

Wie erfolgt die Auswahl der Studenten?

Nagy: „Die HdWM sieht sich gut aufgestellt und vorbereitet, um junge Flüchtlinge rasch in ein Bachelor-Studium zu führen. Und dies mit der Perspektive eines nahtlosen Ãœbergangs vom Studium ins Arbeitsleben, also einer gelungenen Integration. Die Bewerber werden auf Basis eines wissenschaftsbasierten e-Profiling Tests ausgewählt, bei dem – in 300 gezielten Fragen – Neigungen und Potenziale der Bewerber erfasst, ausgewertet und mit dem Anforderungsprofil des Studiengangs verglichen werden. Strukturierte Abfragen über Deutschkenntnisse und Mathematik runden das Bild ab“.

Erfreuliches in diesem Zusammenhang: Das Frankfurter HdWM-Partnerunternehmen Profiles International zeigt ein großes Herz und unterstützt das Projekt mit 100 Tests im Gesamtwert von 11.000 Euro. Damit konnte sichergestellt werden, dass der Profiling-Test für die Flüchtlinge selbstverständlich kostenlos ist.

Michael Nagy: Appell an Unternehmer, Stiftungen und Privatpersonen

Die beiden syrischen Flüchtlinge Yassar Latouf und Samhar Najjar berichten nur Erfreuliches über ihre „tolle Aufnahme in Deutschland“, insbesondere in Mannheim, und man hege bereits konkrete Zukunftspläne. „Mit der deutschen Sprache kommen wir schon ganz gut klar, jetzt müssen wir nur noch im Studium alles geben“, zeigt sich Latouf zuversichtlich. Und Samhar Najjar nickt zustimmend. Es folgt ein Lob der Beiden auf die Professoren und die Mitarbeiterinnen in Organisation und Studienmanagement.

Damit dieses Pilotprojekt gelingt und eine größere Zahl von studierfähigen Flüchtlingen ihr unternehmensnahes Studium an der HdWM beginnen können, „braucht es natürlich weitere Unterstützung mittels Stipendien und Patenschaften durch Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen“, so Nagys Appell an all jene, die mit ,in die Speichen greifen‘ wollen.

IB-Chef Thiemo Fojkar: Internationaler Bund unterstützt Flüchtlings-Pilotprojekt der HdWM

Die HdWM ist in privater Trägerschaft, Mehrheitsgesellschafter der Internationale Bund (IB). Dessen Vorstandsvorsitzender, Thiemo Fojkar, sagt: „Wir unterstützen dieses Projekt sehr gerne. Es ist uns ein Anliegen, Menschen dabei zu helfen, sich in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine fundierte, qualitativ hochwertige Ausbildung ist dabei unerlässlich. Der Internationale Bund betreut in seinen bundesweiten Einrichtungen und Institutionen mit verschiedenen Angeboten und hohen Qualitätsstandards aktuell fast 10.000 geflüchtete Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus“.

Weiter ging Fojkar auf die Ursprünge des IB ein, der sich schon seit 1949 Flüchtlingsfragen widmet und sich höchste Kompetenzen in diesem Feld erworben hat. „Die soziale Integration der Flüchtlinge hat oberste Priorität, denn nur so bleibt auch deren Motivation erhalten. Es gilt das Potenzial der Menschen zu nutzen – zum Vorteil für die deutsche Gesellschaft wie für die Flüchtlinge selbst. Dabei ist auch Politische Bildung wichtig, denn es muss erreicht werden, dass Vorurteile gegenüber unseren Neubürgern keine Chance haben“, sagt Fojkar in seinem Resümee.

HdWM-Geschäftsführer Wolfgang Dittmann: Studium als Integrationshilfe

Wolfgang Dittmann ist Geschäftsführer der HdWM und leitet gleichzeitig die gemeinnützige Gesellschaft für interdisziplinäre Studien mbH (GIS) des Internationalen Bundes. Dittmann: „Unser Engagement an der HdWM ist eine hervorragende Ergänzung des vielfältigen Bildungsportfolios des IB mit klarem Fokus auf den Bildungsmarkt der Zukunft. Dazu gehört auch das Eingehen auf aktuelle Themenstellungen, wie es das Flüchtlingsproblem darstellt“.

„Deshalb liegt uns das aktuelle Projekt der HdWM zur Unterstützung und Begleitung studierender Flüchtlinge sehr am Herzen. Wir wollen diese außergewöhnliche Herausforderung im Rahmen unserer Möglichkeiten gerne annehmen. Flüchtlingen über ein Studium an der HdWM eine Perspektive aufzuzeigen, mit Blick auf deren Zukunft in Beruf und Gesellschaft, ist uns ein ganz besonderes Anliegen“, so Dittmann weiter. Bundesweit unterstützt der IB mit seinen rund 14.000 Beschäftigten in 700 Einrichtungen an 300 Orten jährlich über 350.000 Jugendliche und Erwachsene.
Text: Franz Motzko