Bremen,15. Juli 2015. Sie wurden nach 1980 geboren, wachsen in einer Multioptionsgesellschaft auf, sind vergleichsweise gut ausgebildet, selbstbewusst und technikaffin – die Rede ist von Generation Y. Unternehmensberater und FOM-Dozent Prof. Dr. Nils Schulenburg weiß um die Besonderheiten und Herausforderungen dieser speziellen Gruppe. Sein Buch mit dem Titel „Führung einer neuen Generation – Wie die Generation Y führen und geführt werden sollte“ erscheint voraussichtlich im Herbst im Springer Gabler Verlag. Im Interview berichtet er von seinen Forschungsergebnissen und verrät, worauf Arbeitgeber im Umgang mit Generation Y unbedingt achten sollten.
Was verbirgt sich hinter dem Terminus „Generation Y“ und wie unterscheidet sie sich von vorangegangenen Generationen?
Prof. Dr. Nils Schulenburg: Unter Generation Y fasst man alle zwischen 1980 und 2000 geborenen Frauen wie Männer zusammen. Im Zuge meiner Untersuchungen habe ich zehn relevante Eigenschaften identifiziert, die bei Generation Y besonders ausgeprägt sind: hohe Informationalisierung, starke Leistungsorientierung, hohes Ausbildungsniveau, starke Gemeinschaftsorientierung, hohes Maß an Flexibilität, geringe Machtdistanz, starkes Selbstbewusstsein, starke Skepsis und hohe Globalität. Diese Merkmale sind insbesondere im Vergleich zur vorangegangenen Generation X, also allen zwischen 1960 und 1980 Geborenen, sowie den Babyboomern, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden, charakteristisch.
Das hört sich nach einer Generation mit überhöhten Ansprüchen an sich und ihr Umfeld an. Besteht Generation Y am Ende aus Perfektionisten?
Prof. Dr. Nils Schulenburg: Das kann man so nicht sagen. Generation Y hat zwar im Schnitt ein höheres Selbstbewusstsein als die Generationen vor ihr, woraus letztendlich auch ein gewisser Anspruch resultiert – Perfektionismus hat dies allerdings nicht zwangsläufig zur Folge. Generation-Y-Zugehörige stellen vielmehr die Frage, warum etwas überhaupt perfekt sein muss. Diese Eigenschaft findet sich bereits im Begriff wieder, der mit dem „Y“ auf das englischsprachige „Why“, also „Warum“ anspielt. Warum soll ich studieren, warum soll ich diese Tätigkeit ausüben, warum soll ich eine Lebensgemeinschaft eingehen usw.?
Berufsbegleitendes Studium – ein Modell für Generation Y?
Prof. Dr. Nils Schulenburg: Ja und nein. Zunächst einmal muss man sagen, dass, wenn man aus der Gruppe Generation Y zufällig eine Person ziehen würde, diese wahrscheinlich nicht alle zehn, sondern eher sieben bis acht Eigenschaften erfüllen würde – jeder Mensch ist schließlich individuell. Im Hinblick auf die starke Leistungsorientierung passt ein berufsbegleitendes, weil sehr forderndes Studium durchaus zur Lebenswelt der Generation Y. Im Hinblick auf die starke Freiheitsorientierung, also den Wunsch nach einer angemessenen Work-Life-Balance, widerspricht ein sehr zeitintensives Studienmodell hingegen ihren Vorlieben. Da kommt es am Ende auf das individuelle Kalkül an, ob es jemand für sinnvoll erachtet, eine Weile mehrfach gefordert zu sein und dafür langfristig von diesem Weg zu profitieren.
Was müssen Arbeitgeber bei der Führung Generation Y beachten und inwieweit ist dies bereits Realität innerhalb der Unternehmen?
Prof. Dr. Nils Schulenburg: Arbeitgeber müssen einem partizipativen Führungsstil folgen, das heißt, im Gegensatz zum autoritären Führungsstil, Mitgestaltung ermöglichen sowie Arbeitsprozesse nachvollziehbar und transparent darstellen und vermitteln. Das „Why“, also warum der Beitrag jedes Einzelnen im Unternehmen wichtig ist, sollte beantwortet werden. Dabei spielt natürlich Kommunikation eine entscheidende Rolle. Hier gilt es, geübte Personaler im Umgang mit Generation Y und auch allen anderen Generationen zu verpflichten und sich gegebenenfalls sogar geschulte Berater an die Seite zu holen, die Unternehmen auf diesem Weg begleiten.
Ob und inwieweit Unternehmen auf die besonderen Anforderungen mit Gegenmaßnahmen reagieren, ist sehr unterschiedlich. Insbesondere große Unternehmen gehen auf die genannten Anforderungen bereits stark ein. Kleinen und mittelständischen Unternehmen fällt dies in der Regel schwerer, da ihnen oftmals noch das Bewusstsein für die besonderen Bedürfnisse und Wünsche der Generation Y fehlt und dadurch der Umgang mit ihnen entsprechend schwerfällt.
Mitarbeiter setzen sich in der Regel aus unterschiedlichen Generationen zusammen. Wie gelingt erfolgreiche Führung einer entsprechend heterogenen Gruppe?
Prof. Dr. Nils Schulenburg: Das Führen heterogener Gruppen stellt keine neuartige Herausforderung dar. Heute wie bisher gilt es, im Dialog festzustellen, welche Bedürfnisse die unterschiedlichen Teilgruppen haben und wie beispielsweise durch Partizipation gemeinsam neue Wege beschritten werden können – die sich langfristig positiv auf die Zufriedenheit aller Mitarbeiter auswirken. Auch hierbei sind erfahrene Fachkräfte oder externe Berater gefragt, die Unternehmen bei solchen Prozesse begleiten können.
In wieweit unterscheidet sich eine Führungskraft, die selbst zur Generation Y gehört, von ihren Vorgängern?
Prof. Dr. Nils Schulenburg: Eine Führungskraft der Generation Y steht vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter nicht an Wettbewerber zu verlieren. Mitarbeiterbindung wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger. Da Generation Y skeptischer und freiheitsbewusster als andere Generationen ist, stellen Unternehmenswechsel auch bei zufriedenen Mitarbeitern keine Seltenheit dar. Das war bei den vorangegangenen Generationen anders und muss somit in der Mitarbeitergewinnung, -planung und -betreuung berücksichtigt werden.
Wenn Generation Y von Unternehmen und Personalverantwortlichen nicht richtig verstanden wird, kann dies langfristig zu einer verstärkten beidseitigen Unzufriedenheit führen, die eine Fluktuation von Arbeitnehmern noch verstärken könnte. Da dies Unternehmen nicht nur auf der Kostenseite schadet, ist zu empfehlen, sich rechtzeitig über die Bedürfnisse der Generation Y zu informieren und entsprechende Prozesse zu etablieren. Hierbei ist vor allem die interne Kommunikation eine zentrale Stellschraube.
Was kommt nach Generation Y?
Prof. Dr. Nils Schulenburg: Als flächendeckender Trend lässt sich eine Machtverlagerung erkennen: Bewerber bekommen im Zuge des Fachkräftemangels zunehmend Verhandlungsmacht und Unternehmen müssen um diese Bewerber streiten. Wir können wie in den Konsumgütermärkten der 1980er und 1990er Jahren von einer Veränderung vom Verkäufer- zum Käufermarkt sprechen.
Eine weitere Herausforderung könnte die Generation Z darstellen. Prof. Dr. Christian Scholz meint damit alle ab 2000 Geborenen. Diese Generation sei noch mehr auf ihr eigenes Wohl bedacht und noch wettbewerbsorientierter als Generation Y. Ihre Bezeichnung – Generation Z – ist allerdings längst noch nicht so verbreitet wie Generation Y. Weiterführende Forschungen werden zeigen, inwieweit Generation Z diese Merkmale tatsächlich aufweist und mit welchen Herausforderungen Unternehmen im Zusammenhang mit den Folgegenerationen zu kämpfen haben.