Undiszipliniert und unseriös
Von Alexander Marinos
Es war zu befürchten, dass er angesichts der sich verbessernden
Umfragewerte irgendwann undiszipliniert wird. Wenn SPD-Chef Gabriel
jetzt gegen die Rente mit 67 Stellung bezieht, dann liegt er nicht
nur in der Sache falsch. Er begeht, indem er sich offen gegen
Fraktionschef Steinmeier und damit gegen die „alte Regierungs-SPD“
positioniert, auch einen strategischen Fehler. Dass die Flügelkämpfe
seit Übernahme der Oppositionsrolle eingedämmt waren, hatte auch
etwas mit der überraschend gut funktionierenden Arbeitsteilung
zwischen Gabriel und Steinmeier zu tun. Während Steinmeier die
Fraktion zusammenhielt und Seriosität ausstrahlte, holzte Gabriel
gegen Schwarz-Gelb, wann immer es ging. Und das ging fast
durchgehend. Nun scheint sich der Parteichef auch mit Blick auf den
nahenden Parteitag bei der Basis beliebt machen zu wollen. Wie ginge
das besser, als gegen die unpopuläre Rente mit 67 zu polemisieren?
Das Problem ist nur: Regierungsfähiger wird man so nicht. Im
Gegenteil verschreckt Gabriel jene Leistungsträger, die die Zeche für
eine vermeintlich sozialere Rentenpolitik zahlen müssten. Die ohnehin
schon schwer gebeutelte Mittelschicht wird sich nun dreimal
überlegen, ob sie – schwer enttäuscht von Union und FDP – in den
Sozialdemokraten eine Alternative sieht. Die Rente mit 67, damals von
Arbeitsminister Müntefering fast im Alleingang durchgedrückt, ist
eine sinnvolle Antwort auf den demografischen Wandel. Sollten die
Bezüge und das Renteneintrittsalter stabil bleiben, dann müssten die
Beiträge steigen. Das sagt Gabriel (natürlich) nicht.
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