Geht Autobranche in UK der Sprit aus? / Kreditversicherer Coface: EU-Marktüberlebenswichtig, nicht nur wegen der Exporte

Geringere Wettbewerbsfähigkeit, Verlust der
Innovationskraft, Arbeitskräftemangel. Das ist das Risikoszenario,
das der Kreditversicherer Coface für die britische Autoindustrie
zeichnet, sollte es zu einem „harten“ Brexit kommen. Erste negative
Anzeichen gibt es schon jetzt: Investitionen, Produktion und Absatz
gehen zurück. „Der Zugang zum EU-Markt bleibt überlebenswichtig für
die britischen Autobauer“, sagt Khalid Aït Yahia, Coface Economist
für die Automobilindustrie und die Metallbranche.

Starke Abhängigkeit vom europäischen Markt

Die Exportdynamik kann die geringere Nachfrage aufgrund der
nachlassenden Zuversicht der Verbraucher in Großbritannien nicht
kompensieren. 79 Prozent der in UK gebauten Autos werden exportiert,
mehr als die Hälfte davon (56 Prozent) in die EU-Länder. Die
Abhängigkeit vom EU-Ausland zeigt sich auch darin, dass mehr als die
Hälfte der Teile importiert wird. Die Industrie ist eng mit den
europäischen Wertschöpfungsketten verbunden. So werden Kosten, Lager-
und Produktionszeiten optimiert. „Bei einem harten Brexit mit
strikter Warenkontrolle und Anwendung der WTO-Tarife würde sich das
Risiko für die Branche vervielfachen“, erwartet Khalid Ait Yahia.

Schon seit 2016 sind geringere Investitionen bei Zulieferern und
Herstellern festzustellen. Sie gingen im Vergleich zum Durchschnitt
der Jahre 2011 bis 2015 um 36 Prozent zurück. Diese Entwicklung
verschärft sich 2017, trotz der von den Herstellern angekündigten 28
neuen Modelle bis 2024. Die Unsicherheiten um den Ausgang der
Brexit-Verhandlungen bremsen die Investitionsneigung auch bei den
Muttergesellschaften der britischen Hersteller.

Im Wesentlichen sieht Coface drei Konsequenzen aus einem harten
Brexit.

Geringere Wettbewerbsfähigkeit: In Großbritannien gibt es nicht
genügend Zulieferer. In Europa können Teile durch 15 Länder wandern,
ehe sie letztlich in ein Fahrzeug eingebaut werden. So würden ohne
ein Freihandelsabkommen mit der EU die Kosten für ein Fahrzeug allein
aufgrund der WTO-Bestimmungen um 10 Prozent und für ein Teil im
Schnitt um 3 Prozent steigen.

Mangel an qualifizierten Arbeitskräften: Die Mitgliedschaft in der
EU ermöglicht es trotz des Mangels an eigenen Wissenschaftlern und
Technikern, qualifizierte Kräfte einzustellen. Umgekehrt werden sich
Restriktionen beim Zugang zum britischen Arbeitsmarkt kurz- und
mittelfristig verstärkt negativ auswirken.

Fragezeichen hinter Finanzierung und Innovationen: Die führende
Rolle Großbritanniens in der Entwicklung von Hybrid- und
Elektrofahrzeugen baut auch auf Fördermitteln der EU und Krediten der
Europäischen Investitionsbank auf. Wenn diese Unterstützung mit dem
Austritt aus der EU wegfällt, sind hinter die Innovationsfähigkeit
der UK-Autoindustrie dicke Fragezeichen zu setzen – ein weiteres
großes Problem für die Branche.

Auswirkungen auf die Zahlungsmoral?

Deutsche Exporte nach Großbritannien sind neben der Pharma- und
Chemieindustrie stark konzentriert in der Automobilindustrie und im
Maschinenbau, Könnten diese Branchen von einer schlechteren
Zahlungsmoral britischer Kunden betroffen sein? Dieser Frage ging
Coface in einer aktuellen Zahlungsstudie nach. „Tatsächlich zeigen
sich unter allen Branchen Unternehmen in der Automobilwirtschaft mit
einem Anteil von 14,3 Prozent am stärksten besorgt über einen
Brexit-bedingten Anstieg ihrer Außenstände im kommenden Jahr“,
erklärt Dr. Mario Jung, Regional Economist für Nordeuropa bei Coface
und Autor der Studie . Zudem sind die Produzenten von
Investitionsgütern aus den Bereichen Maschinenbau (8,5%) und
Mechanik-/Präzisionsindustrie (5,9%) ebenfalls besorgter als der
branchenweite Durchschnitt. Ãœber alle Branchen betrachtet, erwarten
nur 3,3 Prozent der deutschen Unternehmen einen Brexit-bedingten
Anstieg ihrer Außenstände.

Pressekontakt:
Coface, Niederlassung in Deutschland
Pressesprecher Erich Hieronimus
Tel. 06131 / 323-541
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