FT: Kommentar zur Verleihung des Friedensnobelpreises

Die chinesische Regierung hält wenig von
Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Ihre wütende Reaktion auf
den Friedensnobelpreis für Liu Xiaobo demaskiert das Reich der Mitte
als Unrechtstaat. Denn China inhaftiert Dissidenten, verhängt die
meisten Todesurteile, knebelt die Tibetaner, blockiert das Internet
und sanktioniert die Folter. Es ist leicht, die chinesische
Ein-Parteiendiktatur als despotisch zu entlarven. Auch die rund 20
Länder, die dem Aufruf zum Boykott der Nobelpreisverleihung folgen,
sind als Unrechtstaaten bekannt: Saudi-Arabien praktiziert Sklaverei,
Todesstrafe und Frauendiskriminierung, Kuba wirft „Verfassungsfeinde“
ins Gefängnis, der Iran jagt Regimekritiker, und in Russland sind
willkürliche Inhaftierungen, Folter und die Tötung von Journalisten
keine Seltenheit. In Brüssel wird man zudem aufmerksam registrieren,
dass auch Serbien, das einen EU-Beitrittsantrag gestellt hat, am
chinesischen Boykott teilnimmt. Die freien Staaten haben dennoch
keinen Grund zur Selbstgerechtigkeit: So lange Guantánamo bleibt,
Iraker von US-Truppen beschossen oder Journalisten in Italien, der
Türkei und Israel gegängelt werden, leidet die Glaubwürdigkeit der
westlichen Demokratien.

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