FT: Kommentar zu Merkel/Afghanistan

Es ist gut, dass auch die Kanzlerin endlich von
Krieg spricht und sich nicht länger hinter juristischen
Verklausulierungen verschanzt. Die Soldaten werden Angela Merkels
Worte mit Genugtuung zur Kenntnis genommen haben. Wer tagtäglich fern
der Heimat sein Leben riskiert, der befindet sich nicht in einem
„kriegsähnlichen Zustand“. Nein, der kämpft in einem Krieg. Und doch
tut sich die Bundesregierung weiter schwer mit dieser Wahrheit. Dass
die Taliban ausgerechnet im Norden des Landes auf dem Vormarsch sind
– das war vergangene Woche ein Schwerpunkt der amerikanischen
Afghanistan-Bilanz. Im parallel präsentierten „Fortschrittsbericht“
der deutschen Regierung las man davon praktisch nichts. Stattdessen
versucht man die skeptische Bevölkerung mit vagen Abzugsperspektiven
zu beruhigen. Wer die Afghanistan-Mission erfolgreich beenden will,
wird aber kaum schon Ende 2011 seine Kampftruppen abziehen können,
wenn dies ein weiteres Erstarken der Taliban zur Folge hätte. Und zur
Wahrheit gehört ferner, dass mit Hamid Karsai an der Spitze in
Afghanistan kein Staat zu machen ist. Bezeichnenderweise vermied es
der Präsident im Gespräch mit Merkel, ein Bekenntnis zur Bekämpfung
der Korruption abzugeben. Vor dieser Realität darf die Kanzlerin,
darf die internationale Staatengemeinschaft nicht länger die Augen
verschließen.

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