FT: Kommentar zu China/Menschenrechte

Der Staatsbesuch des chinesischen
Ministerpräsidenten im Weißen Haus wird bereits „historisch“ genannt.
Das bombastische Urteil beweist indes vor allem: Zu viele Menschen im
Westen verweigern sich immer noch der Einsicht, dass die
„Volksrepublik“ China schon lange keine „kommunistische“ Gesellschaft
herkömmlich-europäischer Art mehr ist, sondern das Land eine harte,
intelligente staatskapitalistische Regierungsform hat, die
rücksichtslos wirtschaftliche Führung anstrebt. Historisch ist die
einfache Tatsache, dass sich das europäische Zeitalter dem Ende
zuneigt. Bereits im Jahre 2050 werden alle Europäer zusammen nur noch
weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Dass China
nach wie vor gigantische soziale Probleme hat, wird von Peking nicht
bestritten. Selbst vor dieser Kulisse gehört es im Westen zum Ritual,
den Mächtigen aus China Menschenrechte nach westlichem Vorbild zu
erklären – nachdem der geschäftliche Teil erledigt ist. Dass dieses
ziemlich schlichte Muster in Peking regelmäßig für Verärgerung sorgt,
ist weniger erstaunlich, als die Unwilligkeit vieler Menschen im
Westen, endlich die fernöstliche Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen.

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