„Flinke Finger“ werden den Kindern nachgesagt, die
auf indischen Baumwollfeldern Saatgut produzieren. Zehntausende von
ihnen dürften es sein. Ihre Arbeit steckt nahezu unsichtbar in jedem
Kleidungsstück oder Handtuch aus indischer Baumwolle. Wer nun aber
Textilien und Bekleidung ohne Kinderarbeit anbieten (oder
konsumieren) will, muss deshalb auch der Frage nachgehen, unter
welchen Bedingungen das Saatgut produziert wird, aus dem dann später
die Baumwollfaser gewonnen und verarbeitet wird. Beim gemeinsamen Tag
der offenen Tür der Villa Hammerschmidt und des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) am 24. Juni
2018 wird SÜDWIND eine Studie vorstellen, in der die Bedingungen
dargestellt werden, unter denen das Baumwollsaatgut in Indien
produziert wird.
Der indische Bundesstaat Gujarat hat sich in den letzten
Jahrzehnten zu einem Schwerpunkt der indischen Produktion von
Baumwollsaatgut entwickelt. Dass Kinder in dieser Saatgutproduktion
von Baumwolle arbeiten, ist seit vielen Jahren bekannt. Zuletzt hat
eine Untersuchung aus dem Jahr 2008 festgestellt, dass die Zahl
arbeitender Kinder in Gujarat besonders hoch ist. Im Auftrag von
SÜDWIND hat die indische Nicht-Regierungsorganisation „PRAYAS-Center
for Labour Research and Action“ Ende des Jahres 2017 die damaligen
Untersuchungsergebnisse in einer umfangreichen Vor-Ort-Recherche
überprüft. „Die Ergebnisse sind ernüchternd“, fasst Autorin und
SÜDWIND-Expertin für nachhaltige Textilien, Dr. Sabine Ferenschild,
die Untersuchungsergebnisse zusammen. „Zwar kann man von einem
Rückgang von Kinderarbeit im Rahmen von Lohnarbeit und Wanderarbeit
auf weit entfernte Saatgutfelder ausgehen. Allerdings nahm im
Gegenzug die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen unter dem
Deckmantel der „Familienarbeit“ zu.“
Als eine zentrale Ursache der steigenden familiären Kinder- und
Jugendarbeit auf den Baumwollfeldern Indiens sind die extrem
niedrigen Löhne zu nennen. Diese liegen weit unter dem staatlichen
Mindestlohn: Während der Mindestlohn bei 300 Rupien (3,74 Euro)
täglich liegt, erhielten 80 % aller befragten Beschäftigten einen
Lohn von höchstens 150 Rupien (1,87 Euro) täglich. Zu solchen Löhnen
arbeiten meist nur Kinder, Jugendliche und Frauen. Insbesondere sind
die acht bis zehn Stunden täglicher Arbeit auf den Feldern physisch
hart. Sie versäumen in den Wochen, in denen sie auf den Feldern
arbeiten, die Schule – was die Lernmotivation massiv reduziert.
„Um zur Abschaffung bzw. Reduzierung von Kinderarbeit bei der
Baumwollsaatgutproduktion beizutragen, sind mehr Transparenz und ein
detailliertes Berichtswesen nötig“, sagt Dr. Sabine Ferenschild.
„Dafür braucht es mehr Engagement und Vernetzung aller AkteurInnen:
Unternehmen, Politik, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft!“
Im Rahmen des Bühnenprogramms auf dem Tag der offenen Tür im BMZ
am kommenden Sonntag wird Dr. Sabine Ferenschild diese Forderungen im
Gespräch mit zivilgesellschaftlichen PartnerInnen und staatlichen
VertreterInnen weiter erörtern.
Die Vor-Ort-Recherche zur Studie „Flinke Finger“. Kinderarbeit auf
indischen Baumwollsaatgutfeldern“ wurde vom BMZ gefördert. Die
Erstellung der Studie und die begleitende Projektarbeit wird
gefördert von der Horsch-Stiftung.
Zur SÜDWIND-Studie/zum Fact Sheet:
https://www.suedwind-institut.de/index.php/de/baumwolle.html
Zum Tag der offenen Tür:
http://ots.de/ZPTfwo
Auf Wunsch stellen wir gerne Fotos aus der Vor-Ort-Recherche zur
Verfügung.
Pressekontakt:
Dr. Sabine Ferenschild
Tel.: 0228-763698-16
E-Mail: ferenschild@suedwind-institut.de
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