Der frühere griechische Finanzminister Yanis
Varoufakis hat auf dem Höhepunkt der Finanzkrise die Einführung einer
Parallelwährung in Griechenland erwogen. „Auf diesem Thema habe ich
auch meine wissenschaftliche Karriere aufgebaut“, sagte Varoufakis im
Gespräch mit dem Magazin stern, das an diesem Donnerstag erscheint.
Die Einführung sei aber nicht einfach: „Man braucht dazu alle
möglichen Ressourcen. Know-how. Hat das Griechenland überhaupt? Es
ging bei diesen Gedankenspielen immer darum, unsere
Verhandlungsposition zu stärken.“
Varoufakis hatte von Anfang an das Gefühl, sich in einem „Krieg“
zu befinden. „Ein Finanzkrieg. Heute brauchen Sie keine Panzer, um
jemanden zu besiegen. Sie haben ihre Banken“, sagte der dem stern.
„Wir hatten von Januar an ein Kriegskabinett, fünf sechs Leute, die
sich mit dem Szenario des Grexits beschäftigten.“ Gemeinsam habe man
„alle möglichen Szenarien angedacht, durchgespielt und dann auch
verworfen“. Dass er, wie kolportiert, an die Gelder der Zentralbank
wollte, um Renten zu bezahlen, bestritt Varoufakis: „Wir haben nie an
so etwas wie einen Einbruch gedacht. Wir sind keine Abenteurer!“
In den Sitzungen verfolgte er „eine psychologische Kriegsführung
auf allen Ebenen“. Dabei sei er immer ruhig geblieben. Es gehe dort
„oft rüpelhaft, rüde und ungehobelt zu“, sagte Varoufakis dem stern.
„Schäuble kann schon explodieren und sehr scharf sein. Ich habe mal
erlebt, wie er den Eurogruppenchef Dijsselbloem zusammengefaltet hat,
nicht schön. Mit mir hat er das nie gemacht, er war immer sehr
freundlich. Ich schätze ihn, ich mag Wolfgang. Und er schätzt, glaube
ich, meine Expertise.“ Schäuble wisse genau, was er wolle, „und er
sagt es auch offen: ein autoritäres Europa, viel weniger
Sozialstaat.“
Varoufakis, der als Vertreter der ökonomischen Spieltheorie gilt,
sagte dem stern: „In diesem Spiel war ich nackt, er (Schäuble) ein
hochgerüsteter Gladiator. Sie können noch so klug sein, wie Sie
wollen, aber wenn Ihr Gegenspieler in einem Panzer sitzt und Sie vor
dem Kanonenrohr stehen, helfen Ihnen auch die besten Argumente
nichts.“
Von SPD-Chef Sigmar Gabriel ist Varoufakis tief enttäuscht.
Zunächst sei das Verhältnis „wie unter Brüdern“ gewesen. „Es gab
nicht den Hauch von Meinungsverschiedenheit. Es war fantastisch, als
ob ich mit einem Syriza-Mitglied redete. Einem Genossen. Und dann,
kurz danach, krieg ich mit, wie er über uns herzieht. Unfassbar.“
Düster sieht Varoufakis die Zukunft Europas. Den 13. Juli, an dem
die griechische Regierung das dritte Rettungspaket akzeptierte,
bewertete er als „den größten Angriff auf die Demokratie seit Ende
des Zweiten Weltkrieges“.
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