Es zwickt im deutschen Modehandel / Oliver Wyman-Analyse „Textilmarkt 2020“ (FOTO)

Der deutsche Textilmarkt steht mittlerweile seit Jahren unter
zunehmendem Druck: Die Umsätze schrumpfen, die Konkurrenz wächst, die
Kundschaft murrt. Die europaweite Analyse „Textilmarkt 2020“ der
Strategieberatung Oliver Wyman zeigt, wo im Einzelnen der Schuh
drückt: Männer sind in Sachen Mode die vergessene Konsumentengruppe –
zusätzlich zwei Milliarden Euro Umsatz könnte der deutsche
Textilhandel erzielen, wenn er sie besser ansprechen würde. Noch
weitere Fehler bremsen den Umsatz, sagen die Experten von Oliver
Wyman: So dominiert im Mittelpreissegment ein modischer Einheitsbrei,
der vor allem jüngere Kunden abschreckt. Und selbst deutsche
Premium-Marken kämpfen mit einer großen Herausforderung: Ihnen
gelingt bisher nicht, online ein überzeugendes Einkaufserlebnis und
damit Kundenbindung auch im Internet herzustellen.

Männer stehen in Deutschland nicht unbedingt im Ruf, in Sachen
Mode den Ton anzugeben. Doch eine umfangreiche Kundenbefragung der
Strategieberatung Oliver Wyman zeigt: Für die heimische
Bekleidungsindustrie ist es höchste Zeit, sich vom Klischee zu
verabschieden – und die vernachlässigte Zielgruppe adäquat zu
bedienen. „Männer sind unzufriedener mit den Modeangeboten als
Frauen, und das über fast alle Altersstufen hinweg“, sagt Oliver
Wyman-Partner Martin Schulte. „Würden die Hersteller und Händler
stärker auf geschlechtsspezifische Einkaufspräferenzen eingehen,
könnten sie zwei Milliarden Euro mehr Umsatz bis zum Jahr 2020
generieren.“ Der Wert entspricht Mehreinnahmen von mehr als zehn
Prozent. Im Jahr 2016 kauften Männer in Deutschland für rund 19
Milliarden Euro Bekleidung ein – das entsprach knapp einem Drittel
des Gesamtvolumens.

„Der Textilmarkt ist ein Haifischbecken“, sagt Schulte mit Blick
auf den Markt, dessen Volumen insgesamt weiter rückläufig ist – im
ersten Halbjahr 2017 betrug das Minus 1,5 Prozent. „Die zahlreichen
Insolvenzen und Schieflagen der letzten Jahre haben gezeigt, wie
umkämpft das Geschäft ist“, sagt Schulte und verweist auf eine
wachsende Zahl internationaler Spieler, die den deutschen Markt
betreten und bei jungen Kunden gut ankommen. In der Analyse gehe es
darum aufzuzeigen, wie der deutsche Handel sein Überleben sichern
kann. Der Fokus liegt dabei auf der Zufriedenheit der deutschen
Konsumenten in Bezug auf Monolabel – das sind sogenannte
vertikalisierte Textilhersteller, die auch eigene Geschäfte
betreiben, wie Esprit, Tom Tailor, H&M oder Zara. Sie vereinnahmen
rund zwei Drittel des deutschen Textilmarkts. „Monolabel haben es
also selbst in der Hand, ihre Verkaufskanäle und Zielgruppenansprache
zu optimieren“, so Schulte.

Gravierende Schwächen im Sortiment

Eine Haupterkenntnis der Berater: Gerade der männliche Städter
zwischen 18 und 34 Jahren fühlt sich modisch von den deutschen
Monolabel-Anbietern nicht abgeholt. Befragte aus diesem Kundensegment
äußerten sich so unzufrieden wie keine andere Zielgruppe – die Werte
liegen rund ein Fünftel schlechter als bei Frauen desselben Alters.
Nachholbedarf sehen die Berater beim Produkt selbst und bei dessen
Präsentation – das gilt sowohl stationär im Laden als auch im
Onlineshop.

„Männer vermissen abwechslungsreiche Schnitte und Passgenauigkeit.
Darüber hinaus stört sie aber auch, dass wenig für ihr spezifisches
Einkaufserlebnis getan wird“, sagt Sarah Roesener, die als Engagement
Manager bei Oliver Wyman die Studie begleitet hat. Besondere
Schwächen bescheinigen die befragten Konsumenten Unternehmen im
Preiseinstiegssegment: „Die Umfrage zeigt, dass diese Unternehmen die
Männer am Point of Sale nicht gut ansprechen. Oft dominiert ein auf
Frauen ausgerichteter Ladenbau. Sowohl bei den stationären Händlern
als auch im Onlineshop sehen die deutschen Monolabel vergleichsweise
alt aus: Während spanische Marken wie Mango oder Zara zum Großteil
Käufer unter 35 Jahren ansprechen, liegt laut Studie bei deutschen
Anbietern – von s.Oliver über Esprit und Hugo Boss bis Gerry Weber –
der Anteil der jüngeren Käufer bestenfalls bei einem Drittel,
teilweise bei unter zehn Prozent. „Gerade jüngere Konsumenten
bevorzugen internationale Händler“, sagt Roesener. Besonders wenig
geboten wird der attraktiven Kundenschicht der 18- bis 34- Jährigen
mit mittlerem Einkommen: „Im Mittelpreissegment liefert der deutsche
Textilhandel zu viel Einheitsbrei“, beschreibt Roesener die
Kundenkritik am Sortiment. „Die Kollektionen ausländischer Anbieter
wirken in den Augen der Kunden modischer und abwechslungsreicher.“

Online-Einkaufserlebnis als entscheidender Hebel

Gerade im wachsenden Onlinekanal besteht Aufholbedarf, was die
Positionierung der Marken angeht. Insbesondere Premium-Marken
schaffen es laut Umfrage nicht, die Exklusivität und Begehrlichkeit
ihrer Marke in ihren Web-Shops aufrechtzuerhalten. Da auch technisch
leistungsstarke Unternehmen wie Amazon in den umkämpften Textilmarkt
eindringen, müssten Hugo Boss & Co. dringend nachbessern, sagt
Schulte. „Das Einkaufserlebnis auf der Webseite müssen die Händler
viel stärker inszenieren. Emotionalisierung ist einer der wenigen
Hebel, die man zur Differenzierung noch nutzen kann.“ Die
Dringlichkeit steigt: Das Online-Geschäft im Modebereich wird nach
Einschätzung der Berater in Deutschland bis zum Jahr 2025 auf einen
Anteil von knapp 30 Prozent anwachsen.

Über die Analyse „Textilmarkt 2020“

Für die Analyse hat Oliver Wyman europaweit 6.600 Konsumenten zu
ihrer Zufriedenheit mit 61 Monolabels befragt. 2.500 der Befragten
kamen aus Deutschland, davon waren 60% weiblich, 40% männliche
Befragte. Stationärer und Online Kanal wurden getrennt befragt.

Pressekontakt:
Maike Wiehmeier
Communications Manager DACH
Oliver Wyman
Tel. +49 89 939 49 464
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maike.wiehmeier@oliverwyman.com

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