
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Sigrid Wenzel bildet im berufsbegleitenden
Masterstudiengang Industrielles Produktionsmanagement der
UNIKIMS/Universität Kassel Fachleute aus, die Prozesse systematisch
verbessern, bevor sie IT-unterstützt implementiert werden.
„Es gibt nicht Industrie 4.0 schlechthin, sondern nur für jedes
Unternehmen eine individuelle Lösung.“ Und schon gar nicht führe
Digitalisierung von selbst zu smarten Produktionsprozessen ohne
mediale Brüche. Das sagt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Sigrid Wenzel. Am
Fachbereich Maschinenbau der Universität Kassel leitet sie im
Institut für Produktionstechnik und Logistik das Fachgebiet
Produktionsorganisation und Fabrikplanung. Den Begriff der
Digitalisierung verwendet Sigrid Wenzel nicht gern. Sie spricht von
digitaler Transformation, da dieser den Veränderungsprozess besser
beschreibt. Es gehe nicht um den Einsatz der IT um ihrer selbst
willen, sondern um die strukturierte Verbesserung der einzelnen
Prozesse in einem umfassenden Gesamtsystem. Erst wenn die bisherigen
Prozesse analysiert und hinsichtlich ihrer Verbesserungspotenziale
fortentwickelt seien, werden diese neuen Prozesse im Gesamtsystem
implementiert und mit IT unterstützt. Dafür benötige ein Unternehmen
oder eine Verwaltung geeignete Fachleute mit Kenntnissen in
Betriebswirtschaft, Informatik und Technik, „die mit allen reden, die
Herausforderungen global betrachten, und die jene Aufgaben, die sie
daraus ableiten, disziplinübergreifend lösen können“. Genau diese
Fachleute bildet Sigrid Wenzel als wissenschaftliche Leiterin des
berufsbegleitenden Masterstudiengangs Industrielles
Produktionsmanagement (IPM) an der UNIKIMS gemeinsam mit anderen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie akademisch geschulten
Praktikerinnen und Praktikern aus. Die UNIKIMS ist die Management
School der Universität Kassel und zuständig für das berufsbegleitende
Studium. Mit über 1200 Studierenden in neun berufsbegleitenden MBA-
und Masterstudiengängen ist sie eine der führenden Institutionen in
Deutschland für die universitäre Weiterbildung von Nachwuchs- und
Führungskräften.
Die Absolventinnen und Absolventen profitieren im Beruf von der
erlernten Methodik
Henning Wortmann zum Beispiel begann den Masterstudiengang IPM
2013, drei Jahre nach Beginn der Karriere im dualen Verbund von
betrieblicher Ausbildung und Maschinenbau-Studium beim
Landtechnikhersteller Claas. Im Beruf profitierte Wortmann vor allem
von den Methoden, die er im Studium an der UNIKIMS erlernte, „von der
Herangehensweise und der strategischen Planung. Wenn wir die
Zusammenhänge auseinandergenommen haben, etwa im Materialfluss, dann
war das super im Alltag anzuwenden. Und die positivste Überraschung
war für mich, dass alle, die mit mir in Kassel studierten, schon
mehrere Jahre im Beruf waren und ihre Erfahrung von dort mitbrachten.
Damit hatte die Vorlesung eine ganz andere Qualität, denn bei
theoretischen Ausführungen hat es nie lange gedauert, bis der erste
die Hand hob und sagte: ,Das hat bei uns so nicht geklappt. Wir haben
das so gelöst.– Das ist etwas ganz anderes, als in einer Gruppe von
20jährigen, die keinerlei praktische Erfahrungen mitbringen.“ Mit dem
Abschluss Master of Science im IPM wechselte Wortmann in die
Corporate IT der Claas-Gruppe, wo er sich mit Prozessberatung und
Anwendungsentwicklung beschäftigt. Auch für Mohammed Abdel Rahim
änderte das IPM-Masterstudium rasch seinen beruflichen Alltag: „Man
verändert sein Bewusstsein, und man kommuniziert es. Daraufhin
steigert das System, die Arbeitswelt, die Erwartungen an mich und ich
erhalte mehr ganzheitliche und prozessbezogene Aufgaben.“
Sigrid Wenzel beschreibt die betriebliche Wirklichkeit, wie sie
diese als Kooperationspartnerin von Unternehmen erlebt: „Es reden
zwar fast alle über Digitalisierung und Industrie 4.0, aber längst
nicht alle haben ihren optimalen Weg zur Umsetzung gefunden.“ Einige
Unternehmen, vor allem große Konzerne, seien in der Nutzung digitaler
Planungsmethoden und der Implementierung von IT-gestützten Prozessen
schon sehr weit „Andere Unternehmen kämpfen aber noch mit
Datenaustauschformaten und sind eher bei Industrie 2.5.“, urteilt
Sigrid Wenzel.
Eine Optimierung der Teilsysteme führt nicht zum optimalen
Gesamtsystem
Oftmals fehle der Blick auf das Ganze. „Es dominiert in vielen
Bereichen noch die Einzelbetrachtung“, sagt die Professorin. Die
Unzufriedenheit wachse, weil irgendein Prozess zu langsam laufe, die
Kosten an einer Stelle zu hoch seien oder der Service in einem
anderen Segment unbefriedigend sei. Dann werde dieses eine Teilsystem
optimiert, und seine Leistung maximiert, aber die Effizienz im
Gesamtsystem steige nicht: „Das lokale Optimum führt meistens nicht
zu einem globalen Optimum für die gesamte Fabrik. Nicht jeder Mensch
macht sich aber dieses ganzheitliche Denken zu Eigen. Beispielsweise
kann ich einen Stau weit hinter mir provozieren, wenn ich im dichten
Verkehr mit Tempo 80 auf die Überholspur wechsele, wo der Verkehr mit
110 Kilometer in der Stunde fließt.“
Ist-Prozesse analysieren, um Soll-Prozesse abzuleiten
Viele Entscheider glaubten zudem heute noch, sie müssten nur auf
den fahrenden IT-Zug in Richtung Digitalisierung und Industrie 4.0
aufspringen und eine Softwarelösung von der Stange kaufen, dann
lösten sich die Probleme wie von selbst. Das sei falsch. Schlechte
Prozesse werden dadurch nicht besser, dass sie mit Software unterlegt
werden. Im Gegenteil kann die Implementierung einer Software
zusätzlich hohe Kosten und Reibungen im Unternehmen verursachen, ohne
suboptimale Prozesse zu verbessern. Daher seien die Ist-Prozesse
zunächst zu analysieren, um Soll-Prozesse abzuleiten und diese dann
digital zu unterstützen. Das kann auch die digitale Vernetzung der
Maschinen in der Produktion über sogenannte cyberphysische Systeme
beinhalten. Dann nehmen die Maschinen über Sensoren Informationen aus
der Umwelt auf, die ausgewertet werden, um über Aktoren Aktionen in
der Umwelt auszulösen. „Auf diese Weise können auch die Maschinen
miteinander kommunizieren“, sagt Sigrid Wenzel. Die Voraussetzung für
Industrie 4.0 ist eine durchgängige digitale Fabrikplanung; die
Modelle der digitalen Fabrikplanung sind die Basis für den digitalen
Zwilling einer Produktionsanlage.
Soziale Barrieren behindern die digitale Transformation
Der Weg der digitalen Transformation ist allerdings auch durch
soziale Barrieren verstellt. Diesen Schluss legt zumindest die
Erfahrung von Sigrid Wenzel nahe: „Wenn wir mit unserem Fachgebiet
Prozesse analysieren und mittels digitaler Modelle simulieren, dann
schaffen wir Transparenz. Wir decken Planungs- und Systemfehler auf.
Finden wir Fehler, besteht bei den Zuständigen oftmals Angst vor
Kritik und Sanktionen. Transparenz soll aber Vertrauen in das System
schaffen: Wir müssen Fehler als systemische Fehler erkennen, und sie
nicht als persönliche Fehler fehlinterpretieren.“
Die Einschätzung, dass durch die digitale Transformation die
Arbeit ausgehe, sei so nicht richtig. „Die Arbeit geht uns nicht
aus“, sagt Sigrid Wenzel, „sie verändert sich inhaltlich;
Routinetätigkeiten werden weniger; Arbeitsinhalte werden kreativer.
Veränderungsprozesse müssen permanent gelebt werden, da sich die IT
schnell weiterentwickelt, Netzwerke variieren und die Komplexität
exponentiell mit der Vernetzung der Systeme wächst.“
Die Zeiten, in denen eine Ausbildung für ein Berufsleben von 40
Jahren ausgereicht habe, seien vorüber: „Das funktioniert nicht mehr,
und es betrifft alle Berufe. Wir können beispielsweise Arbeitsabläufe
der Buchhaltung eines Unternehmens automatisieren oder das Schweißen
durch Schweißroboter durchführen lassen. Die zugehörigen Berufsfelder
benötigen dann zukünftig andere oder erweiterte Qualifikationen als
heute.“
„Wir müssen uns befähigen, die Veränderungen zu gestalten“
„Auch ich weiß nicht, wie das Aufgabenspektrum einer
Hochschullehrerin in 20 Jahren aussehen wird“, räumt Sigrid Wenzel
ein: „Aber ungeachtet dessen darf ich als Hochschullehrerin nicht
aufhören, Studierende für eine Zukunft auszubilden, die ich nicht
vollständig kenne. Wir müssen uns befähigen, die kommenden
Veränderungen zu gestalten. Der Mensch wird unersetzlich bleiben.
Aber gefordert sind mehr denn je Kreativität, ganzheitliches Denken
und die Fähigkeit zur Kommunikation. Die Schere wird sich weiten
zwischen jenen, die kreativ, sozial und prozessfähig sind, und jenen,
die diese Fähigkeiten nicht haben. Ich sage meinen Studierenden und
den Unternehmern: Seid Gestalter der digitalen Transformation! Ich
sehe die digitale Transformation als Chance, denn sie verändert die
Arbeitswelt zugunsten aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
sodass wir viel mehr Möglichkeiten haben, Beruf und Familie
miteinander zu vereinbaren und in beiden Bereichen aufgehend zu
leben. Diese Chance müssen wir nutzen!“
Weitere Informationen zu dem Master of Science Industrielles
Produktionsmanagement erhalten Sie unter www.unikims.de/ipm
Der Studiengang startet im April 2019 bereits zum neunten Mal.
Frau Univ.-Prof. Dr.-Ing. Sigrid Wenzel leitet das Fachgebiet
Produktionsorganisation und Fabrikplanung an der Universität Kassel
und ist zudem seit Oktober 2018 Dekanin des Fachbereichs
Maschinenbau. Sie ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende der ASIM
(Arbeitsgemeinschaft Simulation – eine Arbeitsgemeinschaft im
deutschsprachigen Raum zur Förderung und Weiterentwicklung von
Modellbildung und Simulation in Grundlagen und Anwendung sowie zur
Verbesserung der Kommunikation zwischen Theorie und Praxis) und
Sprecherin der ASIM-Fachgruppe „Simulation in Produktion und
Logistik“. Zudem bekleidet sie die Positionen der Leiterin des
Fachausschusses 204 „Modellierung und Simulation“ und der
stellvertretenden Leiterin des Fachausschusses 205 „Digitale Fabrik“
in der Gesellschaft für Produktion und Logistik im Verein Deutscher
Ingenieure und ist Mitglied im dortigen Fachbeirat „Fabrikplanung und
-betrieb“.
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Prof. Dr.-Ing. Sigrid Wenzel
Akademische Leitung
Professorin für Produktionsorganisation und Fabrikplanung
Institut für Produktionstechnik und Logistik im Fachbereich
Maschinenbau
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