Die Ausdünnung unserer Gesellschaft – Urbanes Land retour

Die Ausdünnung unserer Gesellschaft – Urbanes Land retour

Die FAZ feiert den Geburtenrückgang?! Nun, zumindest berichtet sie in der Rubrik “Grundkurs Demographie” über den demographischen Wandel. Dabei wird angedeutet, was sich in der
aktuellen Forschungslage herauskristallisiert hat. Nicht die zunehmende Zahl betagter Menschen,
sondern die schrumpfende Zahl der nachwachsenden Jüngeren ist die Hauptursache der demographischen Alterung und ihrer kettenartigen Folgeprobleme.
Der Geburtenrückgang begann im 19. Jahrhundert und hat heute, im 21ten Jahrhundert noch kein Ende gefunden. Dieser Prozess ging quasi Hand in Hand mit der Industrialisierung. Wohlstand contra Erziehung heißt es?! Ist die Rechnung so einfach? Zumindest gibt es Indizien, dass es so einfach sein kann. Schon vor der Wiedervereinigung waren die Geburtenraten in beiden Teilen Deutschlands annähernd identisch. Jedoch betrifft die Urbanisierung doch eher weiteste Teile Ost-Deutschlands. Die Gründe dafür liegen klarauf der Hand und sind auch im politischen Sinne nicht mehr zu retten. Über die Jahre ist klar geworden, der Staat kann gleichwertige Lebensverhältnisse bis in den letzten Winkel der Republik bei drastisch sinkender Einwohnerzahl nicht garantieren, geschweige denn bezahlen. 1200 Mrd. haben die Ostdeutschen Länder und Kommunen seit der Wiedervereinigung als
Aufbauhilfe erhalten. Trotzdem verbrauchen sie mehr, als sie erwirtschaften können. Noch erhalten
sie bis 2019 die sogenannten Ost-Subventionen. Danach ist jedoch endgültig Schluss. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dann eine menschenarme Provinz am Leben erhalten kann, ist nahezu gleich Null. „Kleine Dörfer werden von der Landkarte verschwinden“, so Joachim Ragnitz, Wirtschaftsforscher.
Warum laufen denn die jungen Menschen davon, fragen sich die Bewohner der Dörfer? Dabei dürfte doch die Antwort schon klar sein, bevor die Frage ausgesprochen ist. Menschen bleiben nur dort, wo Arbeit ist, Geld verdient wird und somit Familien ernährt werden können. Genau hier liegt das Problem.
Nach der Wende brach in vielen Gebieten die Industrialisierung zusammen. Großbetriebe mussten
schließen, die Arbeitslosigkeit wuchs ins unermessliche. Ein Beispiel ist der Ort Artern. Er liegt am Fuße
des Kyffhäusergebirges. In der ehemaligen DDR gab es hier eine Landmaschinenfabrik, eine Zuckerfabrik, Möbel-, Schuh- und Knopfhersteller und Landwirtschaftsbetriebe.
All diese Bereiche konnten sich nach der Wende in der Marktwirtschaft nicht halten und mussten schließen. Nun ist jeder zweite ohne Job. Die Folge, 20% der Einwohner, vor allem die Jungen, gut Ausgebildeten sind weggezogen. Aber das Problem der Einheimischen blieb. Die Quintessenz ließ nicht lange auf sich warten. Keine Arbeit bedeutet, keine Löhne und damit auch keinen Umsatz
für den Einzelhandel. Geschäfte starben aus, Kindergärten und Schulen mussten schließen.
Ein ungutes Gefühl, denn Kindergärten und Schulen bedeuten Zukunft argumentiert Wolfgang
Koenen, Bürgermeister von Artern.
Und so geht es vielen Orten. Das Rad des Lebens hat Sand im Getriebe und ist nur schwer von diesem zu befreien. Man mag es nicht glauben, aber es gibt in dieser Tragik auch etwas Positives. Zumindest sieht es der Experte für Strukturwandel am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Joachim Ragnitz so. „Die Natur holt sich zurück, was der Mensch ihr abgerungen hat. Wir sollten dies als Riesenchance
und nicht als Problem begreifen. Blühende Landschaften brauche Deutschland dringend als ökologische Ausgleichsgebiete für den Klimawandel.“ Und Angesichts des brisanten Themas mag Herr Ragnitz wohl Recht behalten. (Kelly Kelch)

Weitere Informationen unter:
http://http://issuu.com/kellykelch/docs/ausduennung_gesellschaft