Trotz rechtskräftiger Verurteilung durch den
Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Vorbereitung von
Diesel-Fahrverboten ab 2018 in München, verweigert der Freistaat die
vom höchsten bayerischen Verwaltungsgericht angeordneten
Vorbereitungsmaßnahmen – DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch wirft
Ministerpräsident Horst Seehofer –Missachtung des höchsten
bayerischen Verwaltungsgerichts– vor
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat am 21. November 2017 vor dem
Verwaltungsgericht München einen Antrag auf –Zwangsgeld oder
Zwangshaft– gegen die Bayerische Staatsregierung gestellt.
Hintergrund ist die fortdauernde Weigerung des Freistaats, ein von
der DUH bereits 2012 erstrittenes, mittlerweile rechtskräftiges
Urteil für –Saubere Luft– in München einzuhalten und die notwendigen
Schritte zur Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte für das
Dieselabgasgift NO2 einzuleiten.
Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 27.02.2017
letztinstanzlich die Vollstreckbarkeit des Urteils für –Saubere Luft
in München– aus dem Jahr 2012 bejaht und Fristen für die Vorbereitung
von Diesel-Fahrverboten mit Zwangsgeldern belegt hatte, weigert sich
der Freistaat aktuell, diese rechtskräftige Entscheidung des höchsten
bayerischen Verwaltungsgerichts umzusetzen. In der aktuellen
Auseinandersetzung zwischen DUH und Freistaat geht es um die
Weigerung, der gerichtlichen Auflage nachzukommen und bis Ende August
2017 den Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung bekannt zu machen,
nach der –Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Dieselmotor in Bezug auf
aufzulistende Straßen(abschnitte) in den Luftreinhalteplan
aufgenommen werden sollen–.
Wegen des fortgesetzten Rechtsbruchs, ein rechtskräftiges Urteil
zu respektieren, hatte die DUH bereits vor dem Verwaltungsgericht
München eine Zwangsgeldandrohung beantragt und am 26.10.2017 eine
Zwangsgeldfestsetzung in Höhe von 4.000 Euro erwirkt. Die
Staatsregierung zahlte zwischenzeitlich das Zwangsgeld, erklärte am
21.11.2017 aber sinngemäß, das rechtskräftige Urteil zu Lasten von
Umwelt und Menschen dennoch weiter ignorieren zu werden.
„Die vorsätzliche Missachtung des höchsten bayerischen Gerichts
zeigt erschreckende Demokratiedefizite des bayerischen
Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Die bayerische Staatsregierung
ist offenbar dem Irrglauben verfallen, sich über geltendes Recht und
über rechtskräftige Urteile hinwegsetzen zu können. Wir werden alle
Rechtsmittel ausschöpfen, um zum Schutz der Gesundheit der Münchner
saubere Luft bereits im kommenden Jahr durch Diesel-Fahrverbote
durchzusetzen“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte mit seinem Beschluss
im Februar 2017 bestätigt, dass das bereits 2012 im Rechtsstreit mit
der DUH ergangene und seit 2014 rechtskräftige Urteil des
Verwaltungsgerichts München weiterhin gültig und vollstreckbar ist.
Der Beschluss schreibt das weitere Vorgehen in drei konkret
definierten und terminierten Schritten vor, die von der Regierung
umzusetzen sind. Bis Ende Juni 2017 hätte ein Gutachten vorliegen
müssen, das in einem vollständigen Verzeichnis alle Straßenabschnitte
im Gebiet München benennt, an denen der NO2-Immissionsgrenzwert
überschritten wird. Ministerpräsident Horst Seehofer persönlich hatte
jedoch verfügt, dass das Gutachten zunächst unter Verschluss blieb
und erst nach einer ersten Zwangsgeldandrohung der DUH Wochen später
veröffentlicht wurde.
Der nächste Schritt – die Einleitung der
Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer Fortschreibung des
Luftreinhalteplans bis zum 31. August 2017 – wurde nicht umgesetzt.
Daraufhin folgte der zweite Antrag der DUH auf Festsetzung eines
Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 Euro, aufgrund dessen das
Verwaltungsgericht München am 26.10.2017 den Freistaat zur Zahlung
des Zwangsgeldes verurteilte.
Die Anfrage der DUH beim zuständigen Umweltministerium, ob die
Erfüllung nunmehr zu erwarten sei, blieb unbeantwortet. In einem
Telefonat zwischen dem DUH-Anwalt. Remo Klinger und dem
Umweltministerium erklärte dieses, dass man nicht gewillt sei, die
Anfrage zu beantworten und die dort genannte Frist –nicht ernst–
nehme. Es gäbe eine klare Ansage der Landesregierung, keine
Fahrverbote umzusetzen, daher bedürfe es auch keiner Beteiligung oder
Information der Öffentlichkeit.
Daher stellte die DUH nun einen Antrag auf Festsetzung eines
Zwangsgeldes oder Zwangshaft gegen den Freistaat, letztere zu
vollziehen an der für Luftreinhaltung zuständigen Umweltministerin.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der für die DUH das Verfahren führt,
erläutert die Bedeutung des erneuten Antrags mit deutlich erhöhtem
Zwangsgeld: „Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gebietet es,
auch von deutlich härteren zivilprozessualen Vorschriften Gebrauch zu
machen, um eine Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten. Diese
Situation ist hier offenkundig eingetreten: Trotz Androhung und
Festsetzung eines Zwangsgeldes weigert sich die Behörde, ihren
rechtmäßigen Verpflichtungen nachzukommen.“
Rechtsanwalt Ugo Taddei von der britischen NGO ClientEarth sagt:
„Wenn Regierungen es versäumen im Interesse der Bevölkerung zu
handeln, ist es unverzichtbar, dass wir uns an die Gerichte wenden
können – und dass die Urteile befolgt werden. Wir finden es
erstaunlich, dass diejenigen, die für unsere Gesundheit
verantwortlich sind, so widerwillig sind, die nötige Maßnahmen
einzuleiten, um uns schützen. Saubere Luft ist keine politische Frage
– es geht um die Gesundheit der Menschen.“
Im Februar 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in
Leipzig über die Zulässigkeit von Fahrverboten auf Basis der
aktuellen Rechtslage. Die bayerische Regierung muss bis zu diesem
Zeitpunkt alle vorbereitenden Maßnahmen zur Einführung von
Diesel-Fahrverboten abgeschlossen haben, um die Fahrverbote dann
umgehend einzuführen. Selbst wenn das Bundesverwaltungsgericht erst
noch die Einführung einer Blauen Plakette zur Durchführung von
Fahrverboten verlangen sollte, wird diese bald kommen. Grund dafür
ist das laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen
Deutschland aufgrund der anhaltenden Überschreitung der
NO2-Grenzwerte. Noch im Dezember will die Kommission das Verfahren
vor den Europäischen Gerichtshof bringen.
Hintergrund:
Die DUH erhob am 29.2.2012 Klage gegen den Freistaat wegen
Überschreitung des NO2-Grenzwertes. Mit Urteil des
Verwaltungsgerichts München vom 9.10.2012 wurde der Freistaat Bayern
antragsmäßig verurteilt. Mit der 6. Fortschreibung des Plans werden
die Grenzwerte für NO2 im Jahresmittel erst nach 2030 eingehalten
werden können. Da trotz anhaltender Luftverschmutzung keine
kurzfristig wirksamen Maßnahmen für eine schnellstmögliche
Grenzwerteinhaltung ergriffen werden, hat die DUH einen Antrag auf
Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils gestellt. Mit Beschluss vom
29.6.2016 forderte das Bayerische Verwaltungsgericht München die
Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München mit effektiven
Maßnahmen innerhalb eines Jahres und drohte dem Freistaat ein
Zwangsgeld von bis zu 10.000 Euro an, wenn diese Frist nicht
eingehalten wird. Der Freistaat hatte gegen diesen Beschluss
Beschwerde eingereicht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof drohte
mit Beschluss vom 27.2.2017 dem Freistaat Bayern ein Zwangsgeld in
Höhe von 2.000 Euro an, falls er bis zum 29.6.2017 der Öffentlichkeit
kein vollständiges Verzeichnis aller Straßenabschnitte im Gebiet
München vorlegt, an denen der NO2-Immissionsgrenzwert überschritten
wird. Dies veröffentlichte der Freistaat jedoch erst im Juli 2017.
Das Gutachten zeigt, dass an 123 Kilometern des
Hauptverkehrsstraßennetzes von München Überschreitungen des
NO2-Grenzwertes auftreten. Allerdings wurden zu niedrige
Realemissionsdaten für Diesel-Fahrzeuge verwendet, weshalb die
Belastungssituation in Wirklichkeit noch deutlich höher ist, als
angenommen. Ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro ist
festgesetzt, wenn der Freistaat bis 31.12.2017 der Öffentlichkeit
kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich
ergibt, für welche aufzulistende Straßenabschnitte Diesel-Fahrverbote
in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden.
Die britische Organisation ClientEarth unterstützt Klagen „für
saubere Luft“ der Deutschen Umwelthilfe.
Links:
Antrag auf Zwangsgeld oder Zwangshaft gegen die Staatsregierung vom
21.11.2017: http://l.duh.de/p171127
Zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27.2.2017:
http://l.duh.de/p010317
Hintergrundpapier Klagen für saubere Luft: http://l.duh.de/p171127
Mehr über das Projekt „Right to Clean Air“:
http://www.duh.de/projekte/right-to-clean-air/
Mehr über ClientEarth: https://www.clientearth.org/
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 884 72 80, 0171 2435458, klinger@geulen.com
Ugo Taddei, Rechtsanwalt ClientEarth
0032 2 808 4323, utaddei@clientearth.org
DUH-Pressestelle:
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