Deutsche Schmerzliga: Das Recht auf Schmerztherapie gehört in das geplante Patientenrechtegesetz

Das Recht auf Schmerztherapie sollte in das
Patientenrechtegesetz aufgenommen werden, dessen Eckpunkte die
Regierungskoalition noch in diesem Monat vorlegen will, fordert die
Patientenorganisation Deutsche Schmerzliga e.V. auf dem Deutschen
Schmerz- und Palliativtag 2011 in Frankfurt

Das Patientenrechtegesetz, das derzeit in Berlin vorbereitet wird,
soll die in den verschiedenen Gesetzestexten geregelten Rechte von
Patienten bündeln und so für Transparenz sorgen und die Souveränität
der Patienten stärken. »Das Recht auf Schmerztherapie gehört nach
unserer festen Überzeugung ebenfalls in diesem Gesetz
festgeschrieben«, fordert Dr. med. Marianne Koch, die Präsidentin der
Deutschen Schmerzliga e.V. Zwar werde das Recht auf Schmerztherapie
von niemandem heutzutage mehr bestritten, so Koch weiter, »doch die
Versorgungsrealität zeigt, dass Patientinnen und Patienten dieses
Recht noch immer vielfach vorenthalten wird.«

TAUSENDE PATIENTEN SUCHEN HILFE. Wie problematisch und dramatisch
die Situation für viele Patienten noch immer ist, zeigt die
Anfrage-Statistik der Deutschen Schmerzliga. Beim Team der
Geschäftsstelle laufen pro Woche zwischen 200 und 300 Anfragen per
E-Mail ein, im vergangenen Jahr rund 15.000. Hinzu kommen mehr als
6000 Briefe und mindestens ebenso viele Anrufe. Nicht erfasst werden
jene Anfragen, die bei den 108 regionalen Selbsthilfegruppen der
Patientenorganisation auflaufen. Auch das Forum auf der Website der
Patientenorganisation wird intensiv genutzt.

Die Menschen suchen nach Informationen über die verschiedenen
Schmerzformen, ihre Diagnostik und Behandlung und vor allem nach
qualifizierten Schmerzmedizinern. Doch diese sind nach wie vor
Mangelware. Trotz intensiver Bemühungen ist die Ausbildung der Ärzte
im Bereich der Schmerzmedizin noch immer ebenso ungenügend wie die
ökonomischen Rahmenbedingungen für schmerzmedizinische Einrichtungen.
Die Konsequenz: »Obwohl die Schmerzforschung in Deutschland im
internationalen Vergleich führend ist und die Erkenntnisse auch in
innovative Therapie-Konzepte umgemünzt werden, profitiert nur ein
Bruchteil der Patienten von diesen Fortschritten, weil die
Rahmenbedingungen in unserem Gesundheitswesen nicht stimmen«,
kritisiert Marianne Koch.

FATALE FOLGEN VON GESETZEN. Defizite der Medizinerausbildung sind
indes nur eine Ursache für die Probleme, mit denen Schmerzpatienten
hierzulande konfrontiert sind. Hinzu kommen immer wieder politische
Entscheidungen und Gesetze, welche für Schmerzpatienten fatale Folgen
haben können.

So sind Apotheker beispielsweise seit Einführung der
Rabattverträge, die Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern
abschließen können, dazu verpflichtet, Patienten ein
wirkstoffgleiches Präparat auszuhändigen, mit dessen Hersteller die
Krankenkasse des Patienten einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Nur
der Arzt kann diesen Austausch ausschließen, indem er das
»Aut-idem-Kästchen« (»oder das andere«) auf dem Rezept ankreuzt.

PROBLEMATISCHER AUSTAUSCH BEI STARKEN SCHMERZMITTELN. Bei einem
Blutdrucksenker ist dieser kostensparende Austausch unproblematisch –
nicht aber bei starken Schmerzmitteln, die dem Betäubungsmittelgesetz
unterliegen. Trotz gleichem Wirkstoff und gleicher Dosierung sind bei
diesen Medikamenten Wirkungsunterschiede aufgrund unterschiedlicher
Arzneimittelzubereitungen häufig. »Starke Schmerzmittel sind bei
einer Umstellung eine kritische Substanzklasse«, erklärt Dr. med.
Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft
für Schmerztherapie und Vizepräsident der Deutschen Schmerzliga.
Durch eine Umstellung werde das Therapiegleichgewicht gestört. Die
Folge: Die Patienten haben vermehrt Schmerzen oder mehr unerwünschte
Nebenwirkungen.

Dies hat Rolf Fahnenbruck, Vorstandsmitglied der Deutschen
Schmerzliga, gleich mehrfach erfahren. Er wurde binnen sechs Monaten
insgesamt fünf Mal auf ein wirkstoffgleiches Präparat umgestellt –
unter anderem auch deshalb, weil Firmen, die Rabattverträge mit der
Krankenkasse von Fahnenbruck abgeschlossen hatten, aufgrund der
plötzlich einsetzenden Nachfrage nicht liefern konnten.

»Ich war seit 1990 stabil auf ein Opiat eingestellt«, erzählt
Fahnenbruck. Doch dies war mit dem Beginn der Umstellungen vorbei.
Fahnenbruck litt unter Schweißausbrüchen, Juckreiz, Gliederschmerzen
und Schlafstörungen. Entzugssymptome wechselten sich mit Zeichen der
Überdosierung ab. Er brauchte zusätzlich kurzwirksame Opiate, um
Schmerzspitzen abzufangen, »mein Arzt«, sagt er, »kriegte die
Basiseinstellung einfach nicht mehr hin«. Hinzu kam, dass Fahnenbruck
auf einen bestimmten Zusatzstoff allergisch ist, so dass auch dies
bei jeder Umstellung erneut geprüft werden musste. Das bereitet nicht
nur dem Patienten Probleme, sondern verursacht auch unnötige Kosten.

PETITION BEIM DEUTSCHEN BUNDESTAG. Da solche Fälle keine
Seltenheit sind, reichte die Deutsche Schmerzliga zu Beginn des
Jahres eine Petition beim Petitionsausschuss des Deutschen
Bundestages ein, um eine Gesetzesänderung zu bewirken: Starke
Schmerzmittel sollen aus der automatischen Austauschpflicht
herausgenommen werden. Mehr als 72.000 Menschen haben bislang diese
Petition unterstützt. Daher wurde Dr. Marianne Koch zu einer
öffentlichen Anhörung vor dem Petitionsausschuss geladen, die am 9.
Mai stattfindet.

»Uns geht es bei unseren Bemühungen nicht darum, dass
ausschließlich die Umstellung von einem teuren Originalpräparat auf
ein billigeres Generikum, also ein wirkstoffgleiches
Nachahmer-Produkt, vermieden wird«, betont Dr. Marianne Koch.
»Vielmehr sprechen wir uns aus rein medizinischen und
pharmazeutischen Gründen gegen eine medizinisch nicht indizierte
Umstellung bei gut eingestellten Patienten aus – und zwar unabhängig
davon, ob diese von einem Originalpräparat auf ein Generikum, von
einem Generikum auf ein anderes oder von Generikum auf
Originalpräparat umgestellt werden.« Denn die medizinischen Folgen
einer solchen Umstellung sind dieselben: Mehr Schmerzen oder mehr
Nebenwirkungen.

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