Demokratiereform: „Parlamente auslosen, Minister direkt wählen“ (FOTO)

 

Berufspolitiker aus den Parlamenten zu verbannen und stattdessen
per Zufall ausgeloste Bürger beraten zu lassen hält der Journalist
Timo Rieg für die notwendige große Reform der Demokratie.
„Berufspolitiker lösen erkennbar keine Probleme, sie leben vom
Angstmachen und Problemeerfinden“, sagt Rieg. In der vom belgischen
Historiker David Van Reybrouck („Against Elections“) neu angestoßenen
Debatte über die Vorzüge der Auslosung gegenüber Wahlen plädiert Rieg
für Bürgerparlamente, die jede Woche neu durch Auslosung besetzt
werden. „Das klingt für die meisten Menschen zunächst chaotisch, aber
es gibt viele Erfahrungen mit genau diesen kurzfristigen Mandaten“,
sagt Timo Rieg.

Alle derzeitigen Reformvorschläge, die Volksvertreter auslosen
wollen, um dem Volkswillen Ausdruck zu geben, gehen von mehrjährigen
Amtszeiten der Los-Bürger aus. „Damit werden aber wesentliche
Vorteile der Auslosung wieder zunichte gemacht“, so Rieg, der auch
Verhaltensbiologe ist. Das Losverfahren, das am Anfang der
athenischen Demokratie stand, sei nicht durch widrige Umstände aus
der Politik verschwunden, sondern weil es den Machtinteressen
einzelner entgegenstand. „Politiker sind Herrscher, die um Ressourcen
kämpfen. Eine Dienstleistung für die Bevölkerung sieht ihr
biologisches Programm nicht vor.“ Deshalb müsse man die
Machtinteressen von Politikern strukturell begrenzen.

Auch Reybrouck–s „Blaupause für eine auf dem Losverfahren
basierende Demokratie“ sieht für die meisten Gremien eine dreijährige
Amtszeit vor. „Über diese Zeit bilden sich aber die üblichen
Meinungsführer heraus und die ausgelosten Bürger vertreten doch
wieder Eigeninteressen, weil Politik für einige Jahre zu ihrem Beruf
wird“, kritisiert Rieg. Die Vorstellung, es brauche eine lange Zeit,
um sich in Probleme einzuarbeiten und kompetent Gesetze beurteilen zu
können, sei falsch. Rieg: „In der Los-Demokratie werden Gesetze im
Bürgerparlament Schritt für Schritt beraten. Alles, was den
ausgelosten Bürgern nicht passt, was unklar ist, was keine Zustimmung
findet, muss von den Ministerien neu gemacht werden – dort sitzen
weiterhin die Fachleute.“

Die politische Entwicklung im Großen und Ganzen sollte durch
Direktwahl der Exekutive erfolgen, wie Rieg in seinem Buch
„Demokratie für Deutschland“ darlegt. Kompetente Fachleute könnten
für einzelne Ressorts kandidieren, eine Wiederwahl soll nicht möglich
sein, stattdessen könne es am Ende der Amtszeit eine hohe
Erfolgsprämie geben. Rieg: „Nur so bemühen sich Politiker wirklich
darum, Probleme vom Tisch zu bekommen, anstatt über Jahre und
Jahrzehnte von ihnen zu leben.“

Die Auslosung als Alternative zur Parlamentswahl hatte Timo Rieg
erstmals 2004 in seinem satirischen Buch „Verbannung nach Helgoland –
Reich und glücklich ohne Politiker“ vorgeschlagen. Es folgten
zahlreiche Fachaufsätze und eigene Experimente zur Bürgerbeteiligung.
Zuletzt erschien von ihm „Demokratie für Deutschland – Von
unwählbaren Parteien und einer echten Alternative“.

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