–Capital—Interview mit Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn: „Man muss auch mal den einen oder anderen EU-Gipfel platzen lassen“ / Rettungspakete dürfen die Marktdisziplin nicht außer Kraft setzen

Harter Euro-Kurs der Bundesregierung notwendig /
Europäische Transfer-Union würde zu „unermesslichen Lasten“ führen

Hamburg, 15. Dezember 2010 – Der Präsident des Ifo-Instituts,
Hans-Werner Sinn, warnt vor den finanzpolitischen Folgen der
Rettungspakete für den Euro-Raum. „Wir haben politisch verankerte
Schuldenschranken und solche, die der Markt setzt. Die politischen
wirken kaum, die Disziplinierung durch die Märkte schon. Wenn wir mit
den Rettungssystemen diese Marktdisziplin außer Kraft setzen, na
dann: Gute Nacht!“, so Sinn in einem Interview mit dem
Wirtschaftsmagazin –Capital– (Ausgabe 1/2011, EVT 16. Dezember).
Ifo-Chef Sinn rät der Bundesregierung zu einem harten Euro-Kurs. „Es
geht jetzt wirklich ans Eingemachte.“ Gegebenenfalls müsse „man auch
mal den einen oder anderen EU-Gipfel platzen lassen“.

Sollten sich die Regierungen mittels gemeinsamer Euro-Anleihen auf
eine europäische Trans¬fer-Union einigen, würde dies laut Sinn zu
„unermesslichen Lasten“ führen und eine neue Schuldenlawine auslösen.
„Wir müssen dann den Lebensstandard mancher Länder rückwirkend für
viele Jahre finanzieren. Das zieht uns in einer Art und Weise hinab,
dass uns Hören und Sehen vergehen wird“, warnt der
Finanzwissenschaftler. „Eine Vergemeinschaftung der Schulden würde
uns nicht nur unseres Vermögens berauben, sondern außerdem wieder in
die Flaute zurückwerfen, in die uns der Euro ohnehin gebracht hat“,
so Sinn weiter.

Kritik übte der Ifo-Chef im –Capital—Interview an der
Entscheidung, den Luxemburger Schutzschirm auch über das ursprünglich
anvisierte Frist-Ende im Jahre 2013 hinaus weiterlaufen zu lassen.
Problematisch sei laut Sinn, dass man unter dem Deckmantel
angeblicher Liquiditätshilfe langfristige Finanzierungen gebe. Dies
sei ein semantischer Trick, um das Geld ohne Beteiligung der Banken
fließen zu lassen, bis Deutschland zum Schluss auch keines mehr habe.
„Wenn wir dann auch pleite sind, wird man die Insolvenz der
hilfsbedürftigen Staaten ausrufen. Nein danke: Solch ein
Insolvenz-System braucht Europa nicht“, sagte Sinn.

Darüber hinaus hält Sinn es für einen Fehler, die neuen Anleihen
mit so genannten Collective Action Clauses erst 2013 einzuführen. Bei
diesen CAC-Bonds können Gläubiger zum Forderungsverzicht gezwungen
werden. „Die Bankenbeteiligung soll offenbar auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Und vorher wird mit unserem
Geld fröhlich gerettet, solange es noch reicht.“ Es sei ihm
unverständlich, warum sich die Bundesregierung hier auf eine
Verschiebung eingelassen hat, sagte Sinn dem Wirtschaftsmagazin
–Capital–.

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