Börsen-Zeitung: Umgefallen, Kommentar zum Kurswechsel der Bundesbank von Stephan Balling

Jetzt also auch noch Axel Weber. Bisher galt der
Bundesbank-Präsident als Stabilitätsfels gegen die weichspülende
Brandung mancher Vertreter im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB).
Es scheint, als würde dieser Fels nun wegbrechen. Zumindest bei
seiner Ablehnung gegen das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen ist
Weber umgefallen. Noch Mitte Mai sagte er im Interview der
Börsen-Zeitung: „Der Ankauf von Staatsanleihen birgt erhebliche
stabilitätspolitische Risiken, und daher sehe ich diesen Teil des
Beschlusses des EZB-Rats auch in dieser außerordentlichen Situation
kritisch.“ Bei der nicht öffentlichen Sitzung des geldpolitischen
Gremiums soll Weber deutlich Position gegen die Aufnahme des
Programms bezogen haben. Er wurde aber wohl überstimmt. Jetzt
relativiert er seine Kritik. Das Programm habe stabilisierend
gewirkt. Weber hebt weiterhin hervor, dass das Kaufvolumen relativ
gering sei. Seine ursprüngliche Kritik an der Aufnahme des Programms
äußert er aber nicht mehr.

Nun ist es kein Schaden, wenn ein Bundesbank-Chef seine Position
einmal ändert. Zumal sich in der Rückschau der Kauf tatsächlich als
hinnehmbar erweist, vor allem, weil der Umfang begrenzt ist. Das
Problem ist, dass Weber erstens nicht wirklich zugibt, dass er hier
seine Meinung geändert hat, und auf der anderen Seite gleich noch
einen großen Schritt weitergeht, indem er jegliche Exit-Diskussion
aufs erste Quartal 2011 verschieben will. Bis ins neue Jahr hinein
will er an der Vollzuteilung bei den geldpolitischen Operationen der
EZB festhalten. Die Notenbank soll den Kreditinstituten also
weiterhin unbegrenzt viel Liquidität bereitstellen.

Zeit, an den Exit zu denken

Doch hinter der Weltwirtschaft liegen zwei robuste Quartale.
Deutschlands Konjunkturmotor brummt. Im jüngsten Monatsbericht der
Bundesbank heißt es: „Der Fortgang der Erholung der Weltwirtschaft
ist aus heutiger Sicht nicht gefährdet.“ Selbst Weber glaubt an eine
Fortsetzung der konjunkturellen Erholung. Gleichzeitig nähern sich
die längerfristigen Inflationserwartungen wieder dem Stabilitätsziel
der EZB von 2%. Der Interbankenmarkt gesundet, vor allem in
Deutschland. Da wäre es doch an der Zeit, Zeichen für den Beginn des
Ausstiegs aus der ultraexpansiven Geldpolitik zu setzen. Warum nicht
die Vollzuteilung bei den Dreimonatstendern schon in diesem Jahr
beenden und auf die wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäfte
beschränken? Das wäre ja im Grunde nur ein symbolischer Exit, weil
die Banken weiterhin unbeschränkt Kredit erhalten würden, nur eben in
kürzeren Fristigkeiten. Aber es wäre ein Zeichen an Märkte und
Bürger, dass sich die geldpolitischen Schleusen allmählich schließen.

Euro verliert

Die Reaktion der Märkte auf Webers Rückzug aus dem Lager der
Falken ist eindeutig: Der Euro sank am Freitag um mehr als 1 US-Cent.
Auch auf anderen Märkten sorgte der Bundesbank-Präsident für
Verwirrung und trieb die Händler in vermeintlich sichere Häfen. Die
Aktienkurse fielen, der Wert von Bundesanleihen stieg, und die
Spreads bei CDS auf Anleihen aus der Euro-Peripherie weiteten sich
leicht aus. Natürlich kann sich diese Entwicklung bald umkehren. Wenn
die Märkte das Thema Inflation spielen, weil die Zentralbanken ihren
expansiven Kurs weiterverfolgen, profitieren Aktien. Ohne klaren
Kompass steigt an den Finanzmärkten vor allem die Unsicherheit, und
das wird die ohnehin schon hohe Volatilität erhöhen. Wenn der Glaube
an den Stabilitätsfels Bundesbank wegbricht, gibt es wirklich Anlass,
sich Sorgen um den Euro zu machen.

Da klingt es geradezu grotesk, wenn Weber als besonders wichtige
Eigenschaft eines Währungshüters Stehvermögen zur eigenen Meinung
verlangt und diplomatisches Geschick für unnötig hält. Es kommt schon
die Frage auf, ob Weber selbst sich vielleicht nur tauglich für den
Mainstream machen will, um den begehrten Job als Präsident der EZB zu
bekommen. Bisher war das ja zu wünschen. Um das Vertrauen von Bürgern
und Märkten in den Euro aufrechtzuerhalten und die Stabilität der
Preise sicherzustellen, ist aber die Reputation des obersten
Währungshüters entscheidend. Nur sie kann Inflationserwartungen in
Schach halten. Weber glaubt vielleicht, sich mit seinem Kursschwenk
mehrheitsfähig zu machen. Doch seiner Reputation als Stabilitätsanker
schadet er.

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