Börsen-Zeitung: Drama um Karstadt, Kommentar von Inken Schönauer zum aktuellen Stand der Rettungsbemühungen für Karstadt

Was bei Karstadt passiert, taugt angesichts von
25000 Beschäftigten sowie etlichen Zulieferern und Gläubigern nicht
mal als schlechter Scherz. Was bei Karstadt passiert, ist eine
Zumutung für Beschäftigte, Zulieferer und Gläubiger. Unfreiwillig
erinnert das Schauspiel an das Theater des ehemaligen
Arcandor-Vorstandsvorsitzenden Thomas Middelhoff, der immer viel
versprach, aber kaum etwas Brauchbares lieferte. Die Transaktionen,
die Middelhoff einfädelte, wurden immer kurz vor dem Abschluss
publikumswirksam veröffentlicht, um dann doch wieder verschoben zu
werden. So war es bei dem Verkauf von Neckermann, so war es beim
Verkauf der Immobilien, so war es beim Schmieden einer
Luxushaus-Allianz mit europäischen Partnern.

Vor Wochen wurde der Milliardär Nicolas Berggruen als Investor
gefeiert. Ein paar Vorbehalte gebe es noch, gut, aber Karstadt sei
praktisch gerettet. Diese Vorbehalte, nämlich die Mieten in den
Karstadt-Häusern, erweisen sich nun als nur schwer überbrückbares
Problem. Dennoch verbreiten Beteiligte wie Goldman Sachs, Berggruen,
aber auch der Insolvenzverwalter immer wieder die Nachricht, man
stehe kurz vor dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen.
Vielleicht wird auch der Gerichtstermin am 10. August, an dem das
Amtsgericht Essen mal wieder über den Insolvenzplan entscheiden soll,
verschoben. Schließlich waren bei dem Einigungstermin zwischen dem
Vermietkonsortium Highstreet und dessen Gläubigern am Mittwoch nicht
alle geladen. Die Einigung mit anderen Gläubigern, darunter die
Valovis Bank, steht noch aus.

Das Absurde an der Situation ist nicht einmal die Hängepartie
zwischen Berggruen und den Vermietern. Absurd ist, dass Berggruen und
Highstreet suggerieren, dass die Einigung über die Mieten der
entscheidende Akt ist. Das aber ist falsch. Die Diskussion um die
Mieten hat andere, viel wichtigere Fragen völlig in den Hintergrund
gedrängt: Was will der Einzelhandelslaie Berggruen mit Karstadt, und
wie will er die Warenhauskette sanieren? Sein Idealismus in Ehren,
aber Geld allein kann nicht die Strategie ersetzen, die es braucht,
um das Warenhauskonzept Karstadts endlich in das 21. Jahrhundert zu
befördern. Was derzeit bei Karstadt passiert, ist verantwortungslos.
Die Mietverhandlungen sind nicht mehr als ein Prolog, das Drama kommt
erst noch.

(Börsen-Zeitung, 29.7.2010)

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de