Die verheerenden Waldbrände in Russland, die
ihresgleichen in der Geschichte des Landes suchen und die
einzudämmen, geschweige denn zu löschen die geballte Maschinerie des
russischen Staates bisher nicht in der Lage ist, bringen die
ansonsten sehr langmütige russische Seele ins Brodeln. Selbst der
teflonartige Premier Wladimir Putin musste sich Pfiffe und
kreischende Vorwürfe gefallen lassen, als er ein abgebranntes Dorf in
der Provinz besuchte. Das Staatsfernsehen blendete zügig aus. Die
Menschen werden zunehmend wütender. Auch wenn Premier Putin wie ein
Irrwisch durchs Land wirbelt, hier Geld zusagt, dort neue Häuser und
dazu die allgegenwärtige Kontrolle: Kameras würden das Baugeschehen
überwachen, auch die Büros der Staatsbediensteten, auf dass sie sich
fürderhin nicht erdreisteten, ins Wochenende zu gehen, wenn Wälder
und Dörfer brennen. Derweil sitzt Präsident Dmitri Medwedjew im
Kreml, staucht Untergebene zusammen oder feuert sie. Die vom
damaligen Präsidenten Putin kreierte „Vertikale der Macht“, die
zentralisierte Lenkung des Staates, wird vom staatlichen Fernsehen
kräftig ins Bild gesetzt. Dass sie etwas bewirkt, daran glauben in
diesen Tagen immer weniger Russen. Doch alle Schuld auf „die da oben“
zu schieben“ ist in dieser Situation zwar wohlfeil,
nichtsdestoweniger aber zumindest teilweise ungerecht. Niemand, auch
der sich allgewaltig gebende Putin mit seinem Präsidenten Medwedjew
im Gefolge, kann etwas für eine derartige Dürreperiode, die einmalig
ist seit dem Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen in Russland.
Auch andere Länder haben dergleichen Naturkatastrophen erlitten. Auch
muss sich der einfache Iwan Iwanowitsch sagen lassen, dass er selbst
durch seinen bodenlosen Leichtsinn zur Verschlimmerung beiträgt. Da
wird trotz Waldbrandwarnung kräftig gegrillt im Revier, Kippen werden
achtlos weggeschnippt, leer getrunkene Flaschen ins Unterholz
geschleudert. Und wenn der Rote Hahn beim Nachbarn schon längst auf
dem Dach sitzt, ist das für manchen noch immer kein Grund, helfend
zuzupacken. Geht etwas schief, ertönt der Ruf nach der Staatsmacht.
Aber wer, in Moskau sitzend, alle Entscheidungsgewalt an sich reißt,
wer örtlichen Verwaltungen die Befugnisse nimmt und sich im Nimbus
des Allgewaltigen sonnt, wird natürlich auch für alle die Dinge
verantwortlich gemacht, die aus dem Ruder laufen. Auf den mittleren
und unteren Leitungsebenen herrschen Angst und Feigheit vor der
Entscheidung. Gleichzeitig laufen die an der Spitze ergangenen
Anweisungen ins Leere. Nach den schlimmen Torfbränden im Sommer 2001
sollten die zu sowjetischer Zeit trockengelegten Torffelder geflutet
werden. Fünf Milliarden Rubel jährlich wurden dafür ausgegeben. Das
Ergebnis: Als jetzt die Feuer aufflammten, war der Torf trocken wie
Zunder. Putins Machtvertikale ist eine Fehlkonstruktion.
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