BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu Irland und Euro

Noch ist nichts gerettet. Zwar haben sich die
Finanzmärkte erst einmal beruhigt, weil sich die Anzeichen mehren,
dass die Iren nun doch bereit sind, Hilfe anzunehmen. Doch
wahrscheinlich ist dies nur eine Atempause – bis entweder neue
Zweifel an der Situation des Inselstaates aufkommen oder auch einfach
das nächste Land ins Visier der Gläubiger rückt. Denn auch nach fast
einem Jahr Euro-Krise ist nicht eines der ihr zugrundeliegenden
Probleme gelöst. Schlimmer noch: Die Europäer scheinen so gut wie gar
nichts aus dem Griechenland-Drama im Frühjahr gelernt zu haben. Die
Zwischenbilanz des Krisenmanagements jedenfalls fällt auch im Fall
Irland vernichtend aus. Wie schon im Frühjahr plaudern Politiker, von
Wien bis Lissabon und von Dublin bis Athen, munter darauf los. Im
Sinn haben sie dabei augenscheinlich vor allem ihr heimisches
Publikum und die nationalen Interessen. Als gäbe es keinerlei
Bewusstsein, dass all diese Aussagen von den Märkten beachtet und
natürlich auch eingepreist werden. Am Ende aber führt jede Dissonanz
zu neuen Kursausschlägen, wirkt verschärfend auf die Krise und macht
die Rettung für die Steuerzahler in Europa nur noch teurer. Und in
Brüssel? Da bleibt der Vorsitzende der Euro-Gruppe erstaunlich
unsichtbar, während der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy gar von
einer Ãœberlebenskrise der Eurozone schwadroniert. Es hatte schon gute
Gründe, warum die Politik sich in der Vor-Euro-Ära zu Währungsfragen
geflissentlich zurückgehalten hat. Von Solidarität ist in der
Gemeinschaft gern die Rede. Tatsächlich aber beschimpfen sich nicht
nur griechische und deutsche Politiker einander auf offener Bühne.
Alle beteuern, nur aus Sorge um den Euro und Europa zu handeln – und
doch sind es oft genug einfach handfeste Eigeninteressen. Natürlich
ist Deutschland in einer vergleichsweise komfortablen Situation, wenn
seine Politiker von den Schuldenländern eine noch striktere
Haushaltsdiszlin und eine Beteiligung der Gläubiger an künftigen
Rettungsaktionen fordert. Unsere Zinslast steigt dadurch schließlich
nicht an und die eigenen Wähler müssen nicht darben. Umgekehrt ist es
aber mindestens ebenso unaufrichtig, wenn Politiker der Krisenländer
nun die Bundeskanzlerin für das Auseinanderdriften des Zinsniveaus
und steigende Belastungen für ihre selbst aufgetürmten Staatsschulden
verantwortlich machen. Denn es ist nur normal, wenn die Geldgeber für
höhere Ausfallrisiken auch einen entsprechenden Aufschlag verlangen.
Das billige Schuldenmachen für Griechenland, Portugal & Co. war in
der Vergangenheit nur möglich, weil die Finanzmarktakteure
stillschweigend eine Haftung der starken Nationen im Fall des Falles
voraussetzten. Das aber war nie versprochen. Selbst der erst vor
Monaten vereinbarte Euro-Rettungsschirm, der klare Spielregeln setzen
und so Verlässlichkeit schaffen sollte, wird bei der ersten
Bewährungsprobe nun offenbar schon wieder umgeschneidert. Schließlich
wollen die Iren erst in seinen Schutz gelockt werden, durch
Zugeständnisse derer, die den Schirm halten. Pardon! Aber Vertrauen
schafft all dies nicht.

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