Wenn professionelle Spendenbesorger in einer
ruhigen Minute mal ihren barmherzigen Dackelblick drangeben und in
jener Härte reden, die im innersten Zirkel des
Wohltätigkeitsgeschäfts gepflegt wird, dann ergeben sich ganz klare
Ranglisten: Bilder von verhungernden Kindern funktionieren immer noch
am besten, gerade um die Weihnachtszeit, auch Tierbabys mit großen,
ängstlichen Augen scheinen direkt in die Herzen der Menschen zu
dringen und das Portemonnaie zu öffnen. Jeder Spendensammler weiß:
Auch das vernünftigste Argument ist schwächer als ein eindringliches
Foto, das an die elementarsten Instinkte appelliert. Andersherum
gilt: Dringt der Hilferuf nicht direkt in die Eingeweide, schafft
auch die schlimmste Katastrophe kein Mitgefühl. Offenbar gibt es auch
nationale und kulturelle Abstufungen, wenn es um die
Spendenbereitschaft geht. Der Südostasiate, uns als buddhistisch
leise Servierkraft beim Szene-Thai bekannt, steht im Mitleids-Ranking
ganz weit oben, wie die TV-getriebene Spendenwelle nach dem Tsunami
gezeigt hat. Afrika liegt von jeher gut im Rennen, was auch an
Karlheinz Böhm liegen mag. Wichtig ist auch die Art der Katastrophe:
Etwas Ungewöhnliches wie eine Flutwelle scheint prima zu ziehen,
Hochwasser dagegen weniger gut. Erdbeben dürften im Mittelfeld
liegen, Hunger leicht darüber. Wichtig ist auch, ob die betroffene
Gegend als Urlaubsgebiet bekannt ist, aus dem Landsleute ausgeflogen
werden. Dass der deutsche Spender offenbar ein fein abgestimmtes
Werteraster in Kopf und Herz trägt, mussten Zehntausende
Erdbebenopfer in China 2008 erfahren. Obgleich die Katastrophe
gewaltig war, gelangte nur ein Bruchteil der Tsunami-Milliarden nach
Sichuan. China – das sind doch die, die uns den ersten Platz als
Exportweltmeister wegnehmen. Wie unterschiedlich Mitmenschlichkeit
ausgeprägt sein kann, erfährt derzeit Pakistan. Bilder von nassen,
verzweifelten Menschen, die nicht wie Afrikaner oder Asiaten
aussehen, appellieren offenbar nicht an die Hilfsbereitschaft in den
reichen Ländern. Brachten Spendenaufrufe für das karibische Haiti in
kurzer Zeit Millionen, lief die Hilfe für die von der vergleichbar
großen Katastrophe in Pakistan betroffenen Menschen extrem schleppend
an, obgleich die Vereinten Nationen eindringlicher denn je um Hilfe
werben. Pakistan scheint nur negative Assoziationen zu wecken, die
stärker sind als Mitgefühl. Das überschwemmte Land ist definitiv kein
Ferienparadies, muslimisch zudem, korrupt sowieso und politisch von
zweifelhaftem Ruf – eine Atommacht, die den Taliban offenbar näher
steht als den Nato-Truppen in Afghanistan. Die Armen und
Verzweifelten, die auf Hausdächern, Bäumen und in matschigen
Lehmhütten ausharren, werden verantwortlich gemacht für die
politischen Verhältnisse, in denen sie leben. Immerhin: In den
vergangenen Tagen sei die Hilfsbereitschaft der Deutschen gestiegen,
berichtet das Rote Kreuz. Gut so. Der Vorwurf des „Spendenrassismus“
passt nicht zu einem sonst so spendenfreudigen Deutschland.
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