BERLINER MORGENPOST: Das nächste Unwetter kommt bestimmt – Leitartikel

Vor ein paar Tagen konnten wir noch bedrückt
mitfühlend zuschauen, wie sich in weiter Ferne die Naturgewalten
gegen den Menschen erhoben. Fernab in Russland, wo noch immer Feuer
und Rauchwolken die Zukunft vieler Menschen verdunkeln. Oder fernab
in Pakistan und Indien, wo Millionen Menschen vor den ungeheuren
Wassermassen des Monsun flüchten. Seit dem Wochenende tobt sich die
Natur nun auch vor unserer Haustür aus. Binnen Stunden verwandelten
sich eigentlich harmlose Bäche und Flüsse im Dreiländereck
Deutschland/ Polen/ Tschechien in alles mitreißende Sturzfluten. Der
auf polnischer Seite gebrochene Staudamm beschleunigte
grenzüberschreitend die Katastrophe. Einmal mehr wird den Menschen
vorgeführt, wie klein, wie machtlos sie letztlich geblieben sind,
wenn die Natur ihre Urgewalten los lässt. In Deutschland haben wir
das zuletzt im August 2002 erfahren, als sich nach sintflutartigen
Niederschlägen wochenlang eine verheerende Flutwelle, aus Tschechien
heranrollend, über Dresden entlang der Elbe bis vor die Tore Hamburgs
ergoss. Vor zwei Monaten konnte eine neue Oderflut gerade noch
gebändigt werden. Das misslang jetzt erst in der Region Chemnitz und
dann an Görlitzer Neiße und Oberspree, weil sich dort die Regenwolken
räumlich eng begrenzt stundenlang faktisch an jeweils einer Stelle
ausschütteten. Das hat zur Wortschöpfung eines „Blitzhochwassers“
geführt, von dem die meisten Menschen völlig überrascht wurden.
Wieweit dazu Kommunikationsmängel beigetragen haben, ist auch auf
deutscher Seite noch zu klären. Sicher scheint bereits, dass die
polnische Seite zu spät über den drohenden und dann auch
eingetretenen Dammbruch des Stausees informiert hat. Das bekräftigt
die Binsenweisheit, dass Natur- wie Umweltkatastrophen sich von
keiner nationalen Grenze aufhalten lassen. Sie können nur gemeinsam
bekämpft werden – vorbeugend und im Ernstfall erst durch frühzeitigen
Informationsaustausch, dann durch abgestimmtes Handeln. Was bei der
Oderflut Anfang Juni klappte, muss im Dreiländereck dringlich
verbessert werden. Wetterextreme wie derzeit die Bruthitze in
Russland, die Monsunfluten in Pakistan oder – weit weniger schlimm –
das Hochwasser im sächsisch-brandenburgischen Raum hat es immer
gegeben. Was rund um den Globus alarmieren muss, ist die gestiegene
Häufigkeit. Sie scheint untrügliches Signal für den viel beschworenen
Klimawandel zu sein. Immer mehr Menschen – und mit ihnen die sie
Regierenden – ahnen, was kommt. Es fehlt aber am Willen und der Kraft
zu handeln, gegenzusteuern. Der gescheiterte Klimagipfel von
Kopenhagen ist dafür trauriger Beleg. Vor ein paar Tagen sind auch
die Uno-Klimaverhandlungen in Bonn mehr oder weniger gescheitert.
Katastrophal.

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