Sperrfrist: 15.11.2015 13:30
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Am Volkstrauertag trauern wir um die Opfer von Krieg und
Gewaltherrschaft. Dabei denken wir normalerweise an die Toten der
Kriege des letzten Jahrhunderts. Nun aber mussten wir vorgestern
Abend diese furchtbaren Anschläge in Paris erleben – mit Hunderten
von Toten und Verwundeten. Es ist ein Angriff nicht nur auf das
französische Volk, dem wir unser Mitgefühl und unsere Solidarität
ausdrücken, sondern auch auf unsere gemeinsamen europäischen Werte,
auf unser Leben in Freiheit, in einer von Toleranz geprägten offenen
Gesellschaft.
Ich bitte Sie, sich in der Trauer um die Opfer dieser Anschläge zu
einer Gedenkminute zu erheben.
Ich danke Ihnen!
Anrede
In diesem Jahr haben wir – 70 Jahre danach – in vielfältiger Weise
an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Wir trauern um die
Millionen Toten dieses und aller Kriege. Wir sind heute nicht nur
durch den gerade wieder so furchtbar erlebten Terrorismus in
Frankreich erschüttert. Unser Gedenken ist auch durch die Erfahrung
geprägt, dass Krieg und Gewalt nicht nur Vergangenheit sind, sondern
grauenhafte Gegenwart, in Europa, in der Ostukraine, und in unserer
unmittelbaren Nachbarschaft wie in Syrien.
Wie vor 70 Jahren sind Hunderttausende, ja Millionen auf der Flucht
und suchen Sicherheit und Lebenschancen.
Wir sind herausgefordert und fühlen uns wohl auch ein Stück
überfordert. Doch gilt es, diesen oft von Krieg und furchtbarsten
Erfahrungen traumatisierten Menschen gerecht zu werden, ihr Leid und
ihre Würde ernst zu nehmen. Ich danke der Bundesregierung, den
Ländern und Kommunen sowie den zahllosen engagierten Bürgern, deren
Bemühen darum allerorten sichtbar ist.
Vor 70 Jahren endete dieser furchtbarste aller Kriege, der nach dem
Hitler-Stalin-Pakt mit dem Ãœberfall auf Polen begann, unendliches
Leid über viele Völkern gebracht und ganz Europa in Brand und
Schrecken versetzt.
Deutschland – und Europa – wurde in der Folge des Krieges für
Jahrzehnte geteilt.
Es dauerte jedoch nach 1945 lange, bis in unserem Land unsere Schuld
und Verantwortung für diesen Angriffs- und Vernichtungskrieg und
seine Verbrechen – für den Terror und die mörderische Gewalt in den
besetzten Gebieten Europas, für den Völkermord an Juden, Roma und
Sinti, für den Tod von Millionen Zivilisten – , bis dies von der
breiten Mehrheit in unserer Gesellschaft anerkannt wurden. Heute sind
wir uns glücklicherweise über alle Parteigrenzen hinweg einig, dass
ein Bewusstsein dieser Verantwortung auch in Zukunft deutsche Politik
bestimmen muss.
So wird es nun auch in Europa mehr und mehr möglich, an diese
Ereignisse über die Grenzen hinweg gemeinschaftlich zu erinnern. Wir
Deutschen haben allen Grund, dafür dankbar zu sein.
Nach meinem Eindruck ist es uns in Deutschland in diesem Jahr bei den
vielen wichtigen Reden, die zum Gedenken an das Kriegsende gehalten
wurden, in guter Weise gelungen, an die verschiedenen Opfer dieses
Krieges zu erinnern, ohne sie gegeneinander aufzuwiegen oder gar
aufzurechnen.
Ihnen, Herr Bundespräsident, ist zu danken, dass Sie in Stukenbrock
zudem auf eine Opfergruppe aufmerksam machten, die in unserem
Erinnerungsdiskurs allzu oft vergessen ist: die mehr als drei
Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die in Deutschland den Tod
fanden. Der Bundesregierung bin ich dankbar, dass wir nun in einem
größeren Forschungsprojekt die Suche nach den Namen und dem Schicksal
der sowjetischen und der deutschen Kriegsgefangenen und Internierten
zum Abschluss bringen, um die Ergebnisse den Angehörigen und der
wissenschaftlichen Aufarbeitung zugänglich zu machen.
Erst nach den Umbrüchen vor 25 Jahren konnte der Volksbund auch im
Osten Europas mit seiner Arbeit beginnen, die gefallenen deutschen
Soldaten und andere Kriegsopfer bergen und auf Sammelfriedhöfen
würdig bestatten. Wie im Westen Europas nach 1945 setzte dies eine
intensive Versöhnungsarbeit voraus, denn die deutschen Soldaten waren
ja nicht als Freunde in diese Länder gekommen.
In den letzten Wochen konnten wir an die Ostdenkschrift der
Evangelischen Kirche und den Brief der polnischen katholischen
Bischöfe an ihre deutschen Amtskollegen vor 50 Jahren erinnern –
beides waren Meilensteine der Versöhnung mit unseren Nachbarn. Auch
in diesem Jahr konnten wir wieder ca. 30 000 Gefallene bergen und
ihnen ein würdiges Grab geben. Wer heute noch nach einem Angehörigen
sucht, der während des Krieges im Osten Europas den Tod fand, kann
also durchaus berechtigte Hoffnung hegen, dass wir ihn gefunden haben
oder noch finden werden. Wichtig ist, dass die Hinterbliebenen bei
uns nachfragen, denn es ist zunehmend schwierig, die Angehörigen
ausfindig zu machen!
Eine zunehmend wichtige Aufgabe besteht für uns darin, den
nachfolgenden Generationen diese Kriegsgräberstätten nahezubringen,
um sich so mit unserer schwierigen Geschichte, die sie ja auch
betrifft, auseinanderzusetzen. Unter den etwa 20 000 Jugendlichen,
die wir jährlich mit dieser Arbeit erreichen, sind auch zunehmend
solche, die als Migranten selbst bereits Krieg und Gewalt erleiden
mussten; Sie werden gleich in der Lesung mehr davon hören. Mit dieser
ungeahnten Aktualität wird deutlich, dass Menschlichkeit und Frieden
Herausforderungen für unser konkretes Handeln sind und bleiben. Möge
uns diese Verknüpfung von Aufarbeitung von Vergangenheit, Bewältigung
der Gegenwart und der Gestaltung einer friedlichen Zukunft immer
besser gelingen!
Ich danke Ihnen!
Pressekontakt:
Hilke Vollmer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
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