Rund die Hälfte der Retail-Bankkunden in der Schweiz nutzt schon
heute neben der Hausbank Angebote von Wettbewerbern
– Jeder Dritte würde Finanzprodukte auch von etablierten
Tech-Konzernen erwerben
– Die Raiffeisenbank erreicht in der Schweiz die höchsten
Loyalitätswerte
– Filialbanken können mit Omnikanal-Angeboten die Kundenbindung
stärken
Den Hausbanken in der Schweiz droht das Schicksal von
Grundversorgern in anderen regulierten Branchen. Während sie
Basisdienste bereitstellen, konkurrieren sie mit digitalen
Branchenvorreitern und neuen Anbietern um margenstarke Produkte. Das
Ausmass dieser Bedrohung zeigt die Studie „Evolving the Customer
Experience in Banking“ der internationalen Managementberatung Bain &
Company. An der Studie haben weltweit rund 133.000 Bankkunden in 22
Ländern teilgenommen, davon knapp 1.900 in der Schweiz. Danach wird
schon heute jeder zweite Befragte hierzulande seiner Hausbank untreu.
Gerade bei höhermargigen Produkten wie Krediten und Versicherungen
machen sich die Kunden die Vorteile des digitalen Zeitalters zunutze
und wählen das beste Angebot am Markt.
Tech-Konzerne für Schweizer attraktiver als Fintechs
Bislang profitieren von dieser stillen Abwanderung vor allem
andere Kreditinstitute. Doch 35 Prozent der befragten Schweizer
Bankkunden sind grundsätzlich offen dafür, Finanzprodukte auch von
grossen Tech-Konzernen wie Amazon, Apple oder Google zu erwerben.
Diese Unternehmen verdrängen damit die Fintechs als gefährlichste
Angreifer. Lediglich 22 Prozent der Schweizer würden den Start-ups
bislang Geld anvertrauen. Dabei sinkt die Bereitschaft, Produkte bei
Branchenneulingen zu erwerben, mit zunehmendem Alter (Abb. 1).
Bain-Partner Dr. Dirk Vater verweist auf die Vorstösse von
Tech-Konzernen bei Kreditkarten oder Ratenzahlungen, und sieht deren
Einstieg ins Retail-Banking als denkbaren nächsten Schritt: „Die
Voraussetzungen für grosse Tech-Konzerne sind günstig. Sie verfügen
über eingespielte digitale Prozesse sowie etablierte Marken – und
schon heute vertrauen ihnen Kunden auch persönliche Daten an.“ Zwar
wenden sich bislang nur wenige Kunden komplett von ihrer Hausbank ab.
„Doch die stille Abwanderung trägt bereits Züge einer
Massenbewegung“, warnt Vater. „Gerade die Filialbanken müssen alles
daransetzen, ihre Kunden stärker als bisher über alle Kanäle hinweg
zu begeistern.“
Zwei Drittel der jüngeren Schweizer nutzen Mobile-Banking
Eine Schlüsselrolle kommt dem Ausbau des Mobile-Bankings zu. Knapp
zwei Drittel der bis 34-Jährigen nutzen bereits das Smartphone oder
Tablet für ihre Bankgeschäfte. Und auch ältere Schweizer entdecken
immer häufiger die Vorteile des Mobile-Bankings (Abb. 2). „Der
Vormarsch des mobilen Kanals ist für die Banken Fluch und Segen
zugleich“, erklärt Bain-Partner und Bankenexperte Matthias Memminger.
„Die Konkurrenz ist in der digitalen Welt nur wenige Klicks
entfernt.“ Ein einseitiger Ausbau digitaler Kanäle birgt noch eine
weitere Gefahr. Die mit dem Net Promoter® Score (NPS®) messbare
Loyalität reiner Digitalkunden liegt traditionell niedriger als bei
Nutzern mehrerer Kanäle. „Die Zeiten ausschliesslich analoger und
digitaler Banken gehen zu Ende“, so Memminger. „Die Zukunft gehört
dem Omnikanal.“
Die höchsten Loyalitätswerte bei Schweizer Kunden erreicht derzeit
die Raiffeisenbank. Wie im Vorjahr übersteigt ihr NPS mit 51 Prozent
den Wert aller anderen untersuchten Kreditinstitute in der Schweiz.
Auf den Folgeplätzen gelang es einigen Instituten, ihren NPS
erheblich zu verbessern. Auf diesem Erfolg darf sich jedoch keine
Bank ausruhen. Denn die stille Abwanderung der Kunden und deren
Bereitschaft, Finanzprodukte auch von Technologieanbietern zu
erwerben, bleiben eine ernsthafte Bedrohung. Bain-Partner Memminger
ist jedoch überzeugt: „Die Filialbanken haben im digitalen Zeitalter
im Wettbewerb durchaus Chancen, wenn sie auf allen Kanälen
überzeugen.“
Banken mit grossen Defiziten auf dem Weg zum Omnikanal
Der Transformationsprozess hin zur Omnikanal-Bank stellt
zahlreiche Institute vor enorme Herausforderungen. In den wenigsten
Häusern gibt es heute bereits
– eine durchgängig kundenorientierte Gestaltung der Kundenreise,
– eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Kernprozesse,
– kanalübergreifende Anreiz- und Steuerungsmechanismen,
– agile, auf Kundenreisen fokussierte Organisationsstrukturen und
– eine konsolidierte, schlagkräftige IT-Landschaft.
Um diesen fragmentierten Zustand zu überwinden, sollten sich
Banken in einem ersten Schritt auf eine Kundenreise konzentrieren,
beispielsweise die Baufinanzierung, und hier sämtliche Prozesse über
alle Kanäle hinweg durchleuchten. Dieses Vorgehen sprengt die Grenzen
bisheriger Organisationsstrukturen und bringt Experten aus
unterschiedlichen Abteilungen in agilen Teams zusammen. Es entsteht
eine Omnikanal-fähige Pilotkundenreise, die als Blaupause für den
weiteren Umbau der Organisation dient. Viele Banken schrecken vor
einem solch tiefgreifenden Wandel noch zurück. Stattdessen optimieren
sie Prozesse innerhalb der einzelnen Kanäle. „Wer den
Omnikanal-Gedanken nicht lebt, öffnet Tür und Tor für Wettbewerber
innerhalb und ausserhalb der Branche“, betont Bain-Partner Vater.
Doch wer ein kanalübergreifendes Angebot aus einem Guss schafft,
profitiert gleich mehrfach. Denn loyale Kunden kaufen mehr Produkte
bei ihrer Hausbank, bleiben ihr länger treu und empfehlen sie
häufiger weiter. Vater stellt fest: „Die Retail-Banken haben den
Schlüssel für ihren künftigen Erfolg selbst in der Hand.“
Net Promoter Score® (NPS®)
Bain misst die Kundenzufriedenheit seit mehr als zehn Jahren
branchen- und länderübergreifend mit dem Net Promoter® Score (NPS®).
Diese Kennzahl ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige Frage:
„Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass
Sie diese Bank einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Die
Antworten werden drei Kategorien zugeordnet. Dabei hat sich gezeigt,
dass nur Werte von neun oder zehn für wirklich loyale Kunden stehen
(„Promotoren“), sieben und acht Passive sind und Bewertungen von
sechs oder weniger als Kritiker eingestuft werden müssen. Wird der
Anteil der Kritiker von dem der Promotoren subtrahiert, ergibt sich
der NPS.
Über die Studie
Bain & Company ermittelt weltweit einmal jährlich die Loyalität
privater Bankkunden, ihre Produktnutzung und die hierfür verwendeten
Kanäle. Die Befragung erstreckt sich auf alle wichtigen
Institutsgruppen. Privat- und Direktbanken zählen ebenso dazu wie
Genossenschaften und Sparkassen. Aussagen zu Einzelinstituten werden
nur getroffen, wenn mehr als 200 Antworten vorliegen. Für die
aktuelle Studie wurden weltweit rund 133.000 Kontoinhaber in 22
Ländern befragt, darunter knapp 1.900 in der Schweiz. Die weiteren
Länder sind Argentinien, Australien, Belgien Brasilien, Chile, China,
Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Hongkong, Indien, Japan,
Kanada, Malaysia, Mexiko, Niederlande, Polen, Singapur, Spanien,
Südkorea und die USA. Auf Anfrage lassen sich Auswertungen für
einzelne Länder und Institutsgruppen erstellen. Die hohe
Grundgesamtheit der Befragten und die international einheitliche
Fragenstruktur ermöglichen zudem einen Überblick über aktuelle
Entwicklungen im globalen Retail-Banking-Markt.
Bain & Company
Bain & Company ist eine der weltweit führenden
Managementberatungen. Wir unterstützen Unternehmen bei wichtigen
Entscheidungen zu Strategie, Operations, Informationstechnologie,
Organisation, Private Equity, digitale Strategie und Transformation
sowie M&A – und das industrie- wie länderübergreifend. Gemeinsam mit
seinen Kunden arbeitet Bain darauf hin, klare Wettbewerbsvorteile zu
erzielen und damit den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern. Im
Zentrum der ergebnisorientierten Beratung stehen das Kerngeschäft des
Kunden und Strategien, aus einem starken Kern heraus neue
Wachstumsfelder zu erschliessen. Seit unserer Gründung im Jahr 1973
lassen wir uns an den Ergebnissen unserer Beratungsarbeit messen.
Bain unterhält 55 Büros in 36 Ländern und beschäftigt weltweit 7.000
Mitarbeiter, 800 davon im deutschsprachigen Raum. Weiteres zu Bain
unter: www.bain-company.ch. Folgen Sie uns: Facebook, LinkedIn, Xing,
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Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik, Bain & Company Germany, Inc., Karlsplatz 1,
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