Bain-Analyse: Zukunft des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus / Gute Chancen für das Durchstarten nach der Krise

– Maschinenbau produziert wieder auf Vorkrisenniveau
– Globale Trends sorgen auch künftig für gute Wachstumschancen
– Wichtige Aufgaben für die Zukunft sind die Anpassung an neue
Werkstofftrends, die Neupositionierung in der weltweiten
Wertschöpfungskette sowie der Ausbau profitabler
Service-Geschäftsmodelle

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau hat die Krise schneller und
profitabler überwunden, als zunächst befürchtet. Seit Jahresbeginn
zeigen die Auftragseingänge wieder steil bergauf und auch jenseits
der aktuellen Zahlen sind die mittel- und langfristigen Aussichten
gut. Die Kapazität „atmete“ dank flexibler Arbeitszeitmodelle und
Kurzarbeit durch die gesamte Rezession mit, ohne dass die Unternehmen
große Know-how-Verluste oder hohe Anlernkosten für neue Mitarbeiter
zu verschmerzen hatten. Eine aktuelle Analyse der
Unternehmensberatung Bain & Company zeigt, dass die kurzfristigen
Ertragsaussichten gut sind und globale Trends Wachstumsperspektiven
eröffnen, die gerade für den deutschen Maschinenbau vielversprechend
sind. Allerdings muss der Maschinen- und Anlagenbau auch einige
Hausaufgaben erledigen, vor allem die Anpassung an neue
Werkstofftrends, die globalere Arbeitsteilung der Branche und eine
stärkere Service-Orientierung.

Die Auftragslage im deutschen Maschinen- und Anlagebau erholt sich
derzeit rapide. Für den August meldete der Branchenverband VDMA ein
Auftragsplus von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Eine im September
durchgeführte Umfrage von Bain & Company unter Top-Managern zeigt,
dass 20 Prozent der Maschinenbauer glauben, die Branche habe die
Finanz- und Wirtschaftskrise bereits überwunden, während eine klare
Mehrheit von 72 Prozent angibt, sie befände sich gerade auf dem Weg
aus der Krise. Nur acht Prozent sind der Meinung, der Maschinenbau
stecke noch mitten in der Krise – und das, obwohl dieselben Manager
zu 66 Prozent der Meinung sind, Deutschland als Ganzes habe die Krise
noch nicht überwunden.

340 Maschinenbau-Insolvenzen hat die Krise letztes Jahr gefordert.
Das waren weniger als in anderen Krisenjahren. 2010 wird die Zahl der
Insolvenzen dank des anziehenden Geschäfts voraussichtlich etwas
zurückgehen. Derzeit ist die durchschnittliche Kapazitätsauslastung
von 60 bis 70 Prozent im letzten Jahr wieder auf über 80 Prozent
gestiegen. Und die Zeichen stehen bereits wieder auf
Neueinstellungen. Insgesamt beschädigte die Krise die
Branchenstruktur kaum. Die wesentlichen Unternehmen bestehen fort.
Zudem verlor die Branche nur rund 3,5 Prozent ihrer Mitarbeiter und
damit kaum Know-how.

Auch mittelfristig sind die Aussichten der Branche nach Ende der
Krise gut. 73 Prozent der von Bain befragten Manager glauben, dass
der deutsche Maschinenbau gestärkt aus der Krise hervorgehen wird.
„Die Konkurrenzfähigkeit konnte bereits in den vergangenen Jahren
durch sinkende Lohnstückkosten deutlich gesteigert werden“, sagt Dr.
Armin Schmiedeberg, Partner bei Bain & Company und Leiter der
europäischen Praxisgruppe Industriegüter und -dienstleistungen. „Dass
die Branche durch die Krise hindurch ihr wichtiges Know-how erhalten
konnte, ist ein innereuropäischer Wettbewerbsvorteil, der sich für
Deutschland in den nächsten Jahren auszahlen wird.“

Kurz- und langfristige Wachstumsimpulse

Bereits kurz- und mittelfristig wirksame Wachstumsimpulse kommen
aus der Automobilindustrie, der Luftfahrt und der Energieerzeugung:
So wird der deutsche Maschinenbau vom Trend zu kleineren Automotoren
und zur Elektrifizierung des Antriebsstrangs profitieren. Denn für
die nächste Generation der Antriebstechnik – E-Autos, Hybridfahrzeuge
und mehrfach aufgeladene Turbomotoren – sind neue Fertigungsanlagen
notwendig. In der Luftfahrt müssen neue Werkstoffe wie Kohlefaser und
Titan eingeführt werden, um kerosinsparende Flugzeuge zu ermöglichen.
Auch hier sind neue Maschinen für die Fertigung mit hoher
Wahrscheinlichkeit „Made in Germany“. Im Energiesektor wird der
weitere Ausbau regenerativer Energien und intelligenter Stromnetze
eine der großen Aufgaben der kommenden Jahrzehnte sein – in Europa
und darüber hinaus. Deutsche Unternehmen gehören in diesem Bereich zu
den führenden Anbietern auf dem Weltmarkt.

Zahlreiche langfristig wirksame Trends befördern dauerhaft ein
nachhaltiges Wachstum des Maschinen- und Anlagenbaus: Das
Bevölkerungswachstum in der zweiten und dritten Welt sorgt für einen
steigenden Bedarf an Technologien für die Nahrungsmittelproduktion,
die Überalterung der Bevölkerung in vielen Gesellschaften führt zu
einem erhöhten Bedarf an Medizintechnik und die zunehmende
Ressourcenknappheit bedingt neue Energie-, Recycling- und
Bergbautechnologien.

„Spitzenstellungen haben die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer
insbesondere in Bereichen, in denen Nachhaltigkeit, Energieeffizienz,
Downsizing und individuelle Lösungen gefragt sind“, so Schmiedeberg.
„Diese Positionierung ist in zweierlei Hinsicht zukunftsfähig:
Einerseits erfordern das weltweite Bevölkerungs- und
Wirtschaftswachstum nachhaltige und energieeffiziente Lösungen für
Nahrungsproduktion, Energiegewinnung und Recycling. Andererseits
verlagern sich der klassische Standardmaschinenbau und das
Flächengeschäft zunehmend nach Asien.“

Globale Arbeitsteilung und neue Servicemodelle

Wie in der Gesamtwirtschaft nimmt auch innerhalb der
Maschinenbaubranche die internationale Arbeitsteilung immer weiter
zu. Im Anlagenbau ist das bereits heute zu spüren: Die Detailplanung,
beispielsweise für die Rohrleitungen einer Chemieanlage, wird nicht
mehr im Stammhaus des deutschen Anlagenbauers durchgeführt, sondern
von Drittanbietern in Indien, China, Südafrika, Brasilien oder
Portugal. Darüber hinaus erscheinen im Großanlagenbau neue
Wettbewerber im bauleistungsnahen Bereich auf der Spielfläche, vor
allem aus Korea und China. Dadurch verschärft sich der Kostendruck
„von der Baustelle“ auf die europäischen Technologie- oder
Systemanbieter, deren traditionelle Baupartner bei den Personalkosten
oft nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

Künftig wird sich die Wertschöpfung der gesamten Branche stärker
über den Globus verteilen. Neue Wettbewerbs- und
Partnerschaftssituationen entstehen. Für eine Zementanlage im
Mittleren Osten kann dies heißen: Technologie aus Deutschland,
Engineering aus Indien, Bauleistung aus China und Finanzierung aus
Frankreich. Automobilnahe Maschinen- und Anlagenbauer müssen sich der
Verlagerung des automobilen Absatzes und der automobilen
Produktionsstandorte nach Asien stellen, etwa durch lokale Partner
oder Serviceorganisationen. Innerhalb Europas wird die
Standortverlagerung der Kunden von West nach Ost weitergehen. Hier
können die Wiederaufarbeitung gebrauchter Maschinen und die Anpassung
von Anlagen interessante Geschäftsmöglichkeiten bieten.

„Neben den Themen Innovation und global Footprint sollte sich der
deutsche Maschinenbau auch intensiv der Entwicklung neuer
Servicemodelle widmen“, sagt Branchenexperte Schmiedeberg. „Hier
liegt die Zukunft des Maschinenbaus, mit noch immer weitgehend
unausgeschöpften Potenzialen. Die Margen im Servicegeschäft sind mit
21 Prozent viermal so hoch wie beim Bau neuer Anlagen. Und dieses
Geschäft bleibt auch in Krisenzeiten weitgehend erhalten.“

Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik
Bain & Company Germany, Inc.
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