Die Welt rückt immer näher an den Abgrund. Die Ressourcen sind
bald erschöpft, die ökologische Katastrophe bereits Realität. Doch
weil wir uns das nicht eingestehen wollen, beschwören wir weiterhin
endloses Wachstum und beruhigen unser Gewissen mit nachhaltigem
Konsum. „So werden wir gegen die Wand fahren“, sagt der Demograph und
Zukunftsforscher Reiner Klingholz. In seinem Buch „Sklaven des
Wachstums“ entwirft er Szenarien für die Zukunft. Wir fragen nach,
was kommt, was ist und worauf wir uns alle einstellen müssen.
Herr Dr. Klingholz, seit Kurzem gehören Sie der Generation 60plus
an. Für die Gesellschaft sind Sie somit „eine Herausforderung“,
zumindest schreiben Sie das über die 60-Jährigen. Was meinen Sie
damit?
Dr. Reiner Klingholz: Wie in allen Industrienationen steht auch
Deutschland vor der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge, der so
genannten Babyboomer. In den nächsten 15-20 Jahren werden sehr viele
Menschen in Rente gehen, nur eine kleine Zahl von Menschen rückt ins
Erwerbsleben nach. Das führt schlicht und einfach zu steigenden
Kosten für die Sozialkassen und zu einer möglicherweise sinkenden
Produktivität für die Wirtschaft.
Konkret: Wo sehen Sie Deutschland in 100 Jahren?
Klingholz: Das ist schwer zu sagen, weil wir zum Beispiel nicht
wissen, wie sich die Geburtenraten und die Zuwanderung entwickeln
werden. Fest steht aber, dass die Gesellschaft immer weiter altert.
Das hat auch Vorteile. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit wird die
Gesellschaft friedlicher, weil ältere Menschen weniger zu Gewalttaten
neigen. Sie wird aber auch sehr viel bunter, weil wir doch deutlich
mehr Zuwanderer im Land haben werden.
Alternde, schrumpfende Gesellschaften wie Deutschland, so Ihre
These, müssen sich neu erfinden. Worin besteht die Herausforderung?
Klingholz: Wir beobachten in allen entwickelten Staaten, dass die
Wirtschaftswachstumsraten seit Jahrzehnten rückläufig sind. Das wird
sich durch die Alterung der Gesellschaft nicht ins Positive wenden,
sondern das verstärkt das –Weniger-Wachstum–. Wir müssen lernen, wie
man mit wenig Wachstum oder auch ohne Wachstum unsere Gesellschaften
organisiert. Noch sind wir auf Wachstum angewiesen, um die
Sozialsysteme zu finanzieren, um Schulden zu bedienen, um die
Infrastruktur zu erhalten. Wir haben noch keine Modelle erfunden, die
den Wohlstand einer Gesellschaft mit wenig oder sogar ohne Wachstum
ermöglichen. Aber dazu wird es zwangsläufig kommen müssen.
Das müssen Sie jetzt erklären. Der Begriff –Wachstum– ist doch
eigentlich ganz positiv besetzt.
Klingholz: Das Wachstum, das wir so lieben, hat immer auch
negative Folgen. Nehmen wir den enormen Ressourcenverbrauch oder die
Umweltschädigung. Unser System braucht Wachstum, um zu funktionieren.
Dieses Wachstum werden wir in den Industrienationen mittel- und
langfristig aber nicht mehr erzeugen können.
Das klingt wenig verheißungsvoll…
Klingholz: … ist aber wahrscheinlich. Denn erstens können
Umweltschäden wie der Klimawandel das Wachstum beschränken. Und
zweitens sinken, wo sich Bildung und Wohlstand ausbreiten, die
Kinderzahlen und es steigt die Lebenserwartung. Dadurch altern die
Gesellschaften und sie beginnen irgendwann zu schrumpfen. Auch dies
bedeutet weniger Wachstum. Wir haben also Prozesse angeschoben, deren
Folgen wir jetzt bewältigen müssen. Wir können nur reagieren und
haben das Geschehen in der Welt nicht mehr selbst in der Hand.
*** Das vollständige Interview lesen sie auf www.gdv.de. ***
Pressekontakt:
Christian Lübke
Tel.: 030/2020-5116
Mail: c.luebke@gdv.de
Twitter: www.twitter.com/gdv_de
Weitere Informationen unter:
http://