Angela Merkel war Mitte der neunziger Jahre noch
unbedarft. Das ist jetzt fundamental anders. Es konnte niemanden
überraschen, dass die Kanzlerin von heute der Umweltministerin von
damals ein super Zeugnis ausstellt: keine Fehler gemacht, bei
Gorleben. Ein wenig dreist ist das schon. Die Kanzlerin von heute
weiß das auch, aber Geschäft ist eben Geschäft. Atomkraft war ein
Dogma seit Mitte der siebziger Jahre. Schon die sozialliberale
Regierung Helmut Schmidt fand Atomstrom durchaus sexy, und mit Beginn
der schwarz-gelben Regentschaft Kohls 1982 raste der Zug dann nur
noch in eine Richtung: Es herrschte Pro-Atomkraft-Hysterie. Dass es
dann ausgerechnet Angela Merkel war, die die Energiewende einläutete,
ist bizarr. Allerdings: Sie tat es erst, als sie den Rauch über
Fukushima aufsteigen sah, ob aus innerer Einsicht oder aus Angst vor
den Landtagswahlen 2011, das wird ihr Geheimnis bleiben. Ob die
Umweltministerin Merkel Mitte der Neunziger regelrecht gelogen hat,
auch dazu wird sich schwerlich ein Beweis finden. Ihr gestriges
Eingeständnis, sie sei damals „noch nicht so perfekt“ gewesen, sollte
wohl neckisch klingen. Aber zum Scherzen ist das Thema zu ernst. Denn
in erschreckender Klarheit zeigt auch der Gorleben-Ausschuss das
abgrundtiefe Elend bei der Bewältigung des atomaren Erbes: Die
Endlagerfrage war in der Vergangenheit niemals auch nur in der Nähe
einer Lösung, und sie ist es bis heute nicht. Und noch immer laufen
Atomkraftwerke. Man mag sich ausmalen, welche Dimension das
Atommüll-Thema angenommen hätte, wenn das alles noch 30 oder 40 Jahre
weitergegangen wäre. Es ist so schon schlimm genug.
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