Allg. Zeitung Mainz: Lupenrein / Kommentar zum „Pussy-Riot“-Urteil

Der neue Zar hat endgültig die pseudodemokratische
Maske fallen lassen. Das Urteil gegen die drei Musikerinnen der
Punkband „Pussy Riot“ ist unmissverständlich: Wer sich – und sei es
mit den Mitteln der Kunst, die grundsätzlich alles darf – gegen
Staatschef Wladimir Putin stellt, landet in Sibirien. Mal zwei Jahre
wie jetzt Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina
Samuzewitsch, mal zum Teil deutlich länger. Willkommen in einer
lupenreinen Diktatur. Aus seiner Sicht hat „Pussy Riot“ Putin einen
Gefallen getan, wie er größer kaum hätte sein können. Ausgerechnet in
einer Kirche protestierte die Band – mit an diesem Ort absolut
unangebrachtem Vokabular. Diese Steilvorlage brauchte Putin nur zu
verwandeln, hat das Trio doch mit seiner Aktion auch vielen Russen
auf den Nerven herumgetrampelt. Man darf den Musikerinnen also nicht
nur Mut, sondern vor allem eine gehörige Portion Dummheit
zuschreiben. Am Skandal-Charakter des Urteils ändert das allerdings
nichts, schließlich waren „Pussy Riot“ für den Moskauer Despoten
ungefähr so gefährlich wie drei in ihren Laufställen lärmende Babys.
Der Vorfall wäre für Putin eine einmalige Gelegenheit gewesen, so
etwas wie Milde oder gar Größe zu zeigen. Dass er es nicht getan hat,
lässt zwei mögliche Schlüsse zu: Entweder sieht er sich endgültig in
der Tradition der vielen Männer mit harten Händen, ohne die Russland
angeblich nicht regiert werden kann. Oder das exakte Gegenteil: Er
ist sich seines Status nach wie vor nicht sicher und kaschiert dies
mit Unbarmherzigkeit. Wer jetzt von außen herausfinden will, womit
wir es zu tun haben, muss souverän klare Kante zeigen. Mit einer
Souveränität, die man nicht als Kostgänger irgendwelcher
Gasprom-Töchter gewinnt.

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