Allg. Zeitung Mainz: Balance / Kommentar zur flexiblen Gesellschaft

Immer weitere Wege zur Arbeit an immer öfter
wechselnden Standorten – und am besten noch im Auto im Netz surfen
oder Mails checken. Und wenn das nicht geht, glüht das Smartphone als
verlängerter Schreibtisch halt zu Hause oder im Hotelzimmer. Dass ein
solcher Lebensstil aufDauer nicht gesund ist, überrascht nicht.
Deswegen sollte man jetzt auch trotz der durchaus alarmierenden
Befunde der AOK-Studie nicht allzu simplen Reflexen erliegen und
moderne Technik und darauf fußende Berufsbilder als Teufelszeug
abqualifizieren. Zumindest am oberen Ende der Einkommenspyramide und
bis weit in deren Mitte hinein hat man immer noch zu einem guten Teil
selbst die Wahl, wie man mit Arbeitszeit und Kommunikationsgeräten
umgeht. Die Balance zwischen Leben und Arbeit war noch nie so wichtig
wie heute, in der in vielerlei Hinsicht flexiblen Gesellschaft – wer
noch die Freiheit hat, diese Balance zu suchen und dies nicht von
sich aus versucht, ist selbst schuld. Die Cloud ist ein
hervorragender Datenspeicher, ein Ruheraum ist sie nicht – das
sollten Arbeitnehmer – und die auf sie angewiesenen Arbeitgeber –
schleunigst verinnerlichen. Vollends zum Fluch kann Mobilität für
niedrige Einkommensgruppen werden. Wer stundenlang inBus oder S-Bahn
sitzen muss, um einen oder gar mehrere schlecht bezahlte Jobs
antreten zu können, hat keine Wahlmöglichkeit mehr. Hier muss die
Politik für vernünftige Rahmenbedingungen sorgen. Irgendwo endet alle
durchaus einzufordernde Bereitschaft zur Flexibilität, und die
schiere Ausbeutung beginnt. Diese dauerhaft und in breitem Stil
billigend inKauf zu nehmen, wäre nicht nur sozial unerträglich,
sondern auch wegen absehbarer Folgekosten volkswirtschaftlich
verheerend.

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Allgemeine Zeitung Mainz
Werner Wenzel
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