„Wir brauchen mehr herstellerunabhängige Studien,
um den Nutzen von neuen Arzneimitteln für die Patienten besser
ermitteln zu können. Die öffentliche Hand muss verstärkt Gelder für
solche nichtkommerziellen Studien zur Verfügung stellen und unnötige
Bürokratie abbauen.“ Das forderte der Vorsitzende der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Prof. Dr.
Wolf-Dieter Ludwig, bei einem Symposium der AkdÄ im Rahmen des 35.
Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer in Berlin.
Der Berliner Onkologe verwies auf die Neuregelungen des jüngsten
Arzneimittelgesetzes (AMNOG) der Bundesregierung. Das Gesetz sieht
vor, dass Hersteller für alle Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen,
sofort bei der Markteinführung Nachweise über den Zusatznutzen für
die Patienten vorlegen. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet,
ob ein neues Arzneimittel einen Zusatznutzen hat und unter welchen
Voraussetzungen es verordnet werden darf. Krankenkassen und
Hersteller können dann einen am Zusatznutzen orientierten Preis
festsetzen. „Diese Maßnahmen sind dringend erforderlich, da in
Deutschland bis heute die Preise für patentgeschützte Arzneimittel
frei festgelegt werden können. Wir sollten uns aber nicht allein
darauf verlassen, was die Hersteller an Ergebnissen für die
Frühbewertung liefern.“ Häufig publizierten die Unternehmen negative
Ergebnisse zur Wirksamkeit und zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen
nicht oder erst sehr verzögert nach der Zulassung. „Nach der jetzigen
Regelung wird der Nutzen der meisten neuen Arzneimitteln,
insbesondere neuer Krebsmedikamente, weiterhin unklar bleiben“,
warnte Ludwig. Der Gemeinsame Bundesausschuss sollte deshalb die
Möglichkeit erhalten, weitere unabhängige klinische Studien zu
fordern, um in einem überschaubaren Zeitrahmen von zwei bis drei
Jahren nach der Zulassung eine fundierte Bewertung abgeben zu können.
Nach Ansicht des Leiters des Institutes für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), Prof. Dr. Jürgen
Windeler, sind industriefinanzierte Studien methodisch nicht
unbedingt schlechter als andere. Unabhängig finanzierte Studien seien
aber nötig, um Fragen zu bearbeiten, die in Herstellerarbeiten nicht
thematisiert würden.
AkdÄ: Seit 100 Jahren im Dienste einer rationalen
Arzneimitteltherapie
Mit dem Symposium der AkdÄ in Berlin wurde zugleich das 100jährige
Jubiläum der Kommission begangen. Der langjährige ehemalige
Vorsitzende der AkdÄ, Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen, sagte,
die Geschichte der 1911 als Ausschuss des Kongresses der Deutschen
Gesellschaft für Innere Medizin gegründeten Kommission sei eng
verbunden mit den Menschen, die viel ehrenamtliches Engagement
investiert hätten. „Heute ist die AkdÄ ein konstanter Faktor in der
sich schnell ändernden gesundheitspolitischen Landschaft“, sagte
Müller-Oerlinghausen. Viele Themen, mit denen sich die Gründungsväter
der Kommission beschäftigen mussten, seien auch heute noch relevant.
So wies Kommissionschef Ludwig darauf hin, dass einer rationalen
Arzneimitteltherapie auch 100 Jahre Gründung der AkdÄ eine vorwiegend
von Marketinginteressen geleitete Vorgehensweise der pharmazeutischen
Unternehmen entgegensteht. Mit Hilfe systematischer Fehler bei den
von den Herstellern finanzierten klinischen Studien zu neuen
Arzneimitteln, interessengeleiteter wissenschaftlicher Artikel und
einer zunehmenden Zahl kostenloser an Ärzte verschickter
Zeitschriften mit tendenziöser Interpretation klinischer
Studienergebnisse werde versucht, das Verschreibungsverhalten der
Ärzte zu beeinflussen.
Die AkdÄ setze diesen Marketingstrategien neutrale und überprüfte
Informationen über Arzneimittel entgegen. Beispielhaft verwies Ludwig
auf die von der Kommission herausgegebene Zeitschrift
„Arzneiverordnung in der Praxis“. Sie biete Artikel zu aktuellen
Fragen der Pharmakotherapie. Die Informationsblätter „Wirkstoff
aktuell“ würden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse den
Stellenwert vorrangig neuer oder bereits eingeführter häufig
verordneter Wirkstoffe in einer bestimmten Indikation einordnen.
Ein Video-Clip zum Symposium der Arzneimittelkommission kann ab
Dienstag, 8. Februar, auf dem Youtube-Kanal der Bundesärztekammer
unter http://youtube.com/BAEKclips oder unter
www.bundesaerztekammer.de abgerufen werden.
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