Ärztestatistik richtig interpretiert / Ärztemangel trotz steigender Arztzahlen

Grundsätzlich geht es um die „Auflösung des
Paradoxons Ärztemangel bei zunehmenden Arztzahlen“. „Eine rein
zahlenmäßige Erfassung der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in
Bayern ist für die Bewertung der Versorgungssituation nicht
aussagefähig, da –Köpfe nicht gleich Stellen– sind“, erläuterte Dr.
Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), und
warnte in diesem Zusammenhang vor „Fehlinterpretationen“ der
BLÄK-Statistik. Die Statistik der BLÄK stellt auf die reine Zahl von
Ärztinnen und Ärzten zu einem bestimmten Stichtag in verschiedenen
Tätigkeitsbereichen ab. Sie könne keine Aussagen über den Umfang, die
Art und den Ort ärztlicher Tätigkeit treffen.

Als Hauptursache für die Mangelsituation nannte Kaplan die
kontinuierliche Abnahme des „workload“ der Ärztinnen und Ärzte in den
vergangenen Jahren, den sich ständig erhöhenden Versorgungsbedarf
aber auch die Zunahme von neuen Versorgungsmodellen.

– So hat die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen von Ärztinnen und
Ärzten in Kliniken und Praxen rasant zugenommen, wobei der
steigende Frauenanteil diesen Trend verstärkt, da Ärztinnen
häufiger in Teilzeit arbeiten oder in der Elternphase eine
Auszeit nehmen.

– Die Jahresarbeitszeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten
den allgemein herrschenden Arbeitszeiten angenähert. Allein die
EU-Arbeitszeitrichtlinie erfordere bundesweit rund 27.000
Krankenhausstellen mehr (Bayern: zirka 3.800).

– Ärztinnen und Ärzte arbeiten nicht alle ausschließlich in der
Patientenversorgung, sondern vermehrt in anderen Bereichen und
Branchen oder wandern ins Ausland ab.

– Der Altersdurchschnitt der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte
nimmt in Bayern ständig zu (insbesondere der Niedergelassenen
und hier wiederum der Hausärzte), was die Mangelsituation
verschärft und bis 2020 drastisch zuspitzen wird. 2.096 (23
Prozent) der bayerischen Hausärztinnen und -ärzte sind heute
über 60 Jahre. Bei den Allgemeinärzten liegt der Gipfel in der
Altersverteilung bei 58 Jahren. Knapp 50 Prozent der
Allgemeinärzte sind 54 Jahre und älter. Diese werden
voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren ausscheiden. Soviel
zur Prognose zur Versorgungssituation in fünf bis zehn Jahren.

– Der ärztliche Versorgungsgrad in Bayern ist unterschiedlich
ausgeprägt – je nach Region und Fachgebiet. Das Argument der
Bedarfsplanung ist zu pauschal und ungenau, die
Planungsbereiche oft zu großräumig. Die Planungsproblematik wird
derzeit daher auch lebhaft im Rahmen des Entwurfs eines
Versorgungsgesetzes diskutiert; sie muss regional gelöst werden.

„Stelle man der Zahl der Abgänge (ca. 4.600 bayerische Hausärzte)
die voraussichtlichen Zugänge (ca. 3.200 Hausärzte) bis zum Jahr 2020
gegenüber, so werde es in Bayern etwa 1.400 Hausärzte weniger geben
als bisher“, sagte Bayerns Ärzte-Chef.

Eine klare Absage erteilte Kaplan dagegen Vorstellungen, einen
Hausarzt „light“ zu etablieren, indem Aus- und Weiterbildungszeiten
verkürzt werden. Auch eine Übertragung von originär ärztlichen
Aufgaben, wie die Diagnose, Indikationsstellung und
Therapiekontrolle, an andere Gesundheitsberufe könne nicht der
Lösungsausweg aus der Misere sein. „Unsere Patienten haben Anspruch
auf Facharztstandard. Der Hausarzt kann durch die Gemeindeschwester
nicht ersetzt werden. Eine Arztentlastung durch Delegation von
Aufgaben an entsprechend qualifizierte Mitarbeiter und eine engere
Kooperation im Sinne einer Arbeitsteilung mit anderen
Gesundheitsberufen ist jedoch dringend erforderlich“, so Kaplan.
Ärztliche Arbeit müsse sich lohnen – privat und finanziell, forderte
der Präsident. Es ginge hier um die Motivation einer ganzen
Generation junger Ärztinnen und Ärzte. Eine Gesellschaft des langen
Lebens brauche engagierte Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis,
sonst nehme die gesundheitliche Versorgung gerade einer Gesellschaft
des langen Lebens, in der es immer mehr chronisch Kranke gibt,
erheblichen Schaden.

Pressekontakt:
Bayerische Landesärztekammer
Pressestelle
Dagmar Nedbal
Mühlbaurstraße 16, 81677 München
Telefon: 089 4147-268
Fax: 089 4147-202
E-Mail: presse@blaek.de, www.blaek.de